Zum Freiluft-Volkstanzfest im Englischen Garten kamen viele Münchner in aller Herrgottsfrühe.
Getanzt wurde ab den frühen Morgenstunden.
Traditionell gekleidet hatten sich die Besucher am Chinaturm eingefunden.
Ab 6 Uhr wurde zum Tanz aufgespielt, Tausende drehten ihre Runden.
Im Schatten des Chinaturms tanzten die Teilnehmer unter anderem Landler, Zwiefacher oder Polka. © Stache, Hörhager, Lindenthaler
Landler, Zwiefacher, Polka, Hiatamadl und Boarischer – rund 12 000 Frühaufsteher haben in aller Herrgottsfrühe in München beim traditionellen Kocherlball im Englischen Garten in den Sommertag hineingetanzt. Bei strahlendem Sonnenschein wirbelten die Paare bei bayerischen Tänzen rund um den Chinesischen Turm.
Die Ersten kamen noch im Dunkeln zum Chinaturm, um sich die besten Plätze zu sichern. Bei Kerzenschein packten sie ihre mitgebrachte Brotzeit aus. Viele kamen in Tracht, manche in historischen Uniformen und Gewändern – und einige trugen das Gewand der früheren Kocherl, der Hausangestellten, auf deren morgendliche Treffen der Ball zurückgeht.
„Ein lockerer gemütlicher Kocherlball“, fasste Pressesprecherin Ursula Seeböck-Forster zusammen. „Um halb fünf sind die Gäste herangeströmt, noch bei Dunkelheit mit Kerzen auf den Tischen. Alle freuen sich, dass in diesem Jahr das Wetter von Anfang an top war.“ Im vergangenen Jahr mussten die Tänzer nämlich teils Regenschirme auspacken. Die Familie von Wirtin Antje Haberl ist seit 35 Jahren Gastgeberin des bekannten Balles, der damals neu belebt wurde.
Ab 6 Uhr wurde zum Tanz aufgespielt. Das Tanzmeisterpaar Katharina Maier und Markus Kaindl sorgte auf der Bühne dafür, dass selbst Ungeübte bei den teils traditionellen Tänzen nicht aus dem Takt gerieten. Zwei Musikkapellen – die sehr junge Formation Quetschnblech und die Kapelle Massanari – spielten abwechselnd zum Tanz auf, teils ohne Noten und aus der Stimmung heraus, wie die Veranstalter mitteilten.
Der Ball am Chinesischen Turm im Englischen Garten war zweimal – 2020 und 2021 – wegen der Corona-Pandemie ausgefallen. Der Zulauf ist aber seitdem wieder ungebrochen.
Der Ball hat seit Jahren Tradition. Er geht auf das 19. Jahrhundert zurück. Damals trafen sich bei schönem Wetter im Sommer die sogenannten Kocherl – die Hausbediensteten – am Sonntag frühmorgens im Englischen Garten zum Tanz. Die frühe Stunde wählten sie, weil sie später wieder Dienst tun mussten, wenn die Herrschaft aus der Kirche kam.
Die Kocherl sollen es mit der Sittlichkeit nicht so genau genommen haben – das missfiel der Obrigkeit. 1904 wurde der Ball deshalb verboten. Zur 200-Jahr-Feier des Englischen Gartens im Jahr 1989 nahm die Stadt den Brauch wieder auf. Seitdem hat sich der Ball am dritten Sonntag im Juli zum Kultereignis entwickelt.
DPA