Fürchten um ihre Wohnungen: die Mieter der Bauerstraße 9 in Schwabing. © Markus Götzfried
Weil ihre Wohnungen einzeln verkauft werden sollen, fürchten die Mieter eines geschichtsträchtigen Gebäudes in der Bauerstraße um ihr langjähriges Zuhause. „Wir sind aus allen Wolken gefallen“, sagt Hermann Niemeyer, Sprecher der Mietergemeinschaft der Bauerstraße 9. Grund: Im Juni erreichte die Bewohner ein Schreiben des Immobilienunternehmens Gröner Family Office, dem das denkmalgeschützte Haus seit Anfang 2019 gehört. Darin werden sie informiert, dass „das Objekt“ veräußert und die 15 Wohneinheiten einzeln verkauft werden sollen. Zwar wird ihnen angeboten, ihre Wohnungen selbst zu erwerben – bei den Schwabinger Preisen aber „absolut undenkbar“, so Niemeyer. „Am liebsten wäre es uns, wenn die Stadt das Haus kauft.“ Der Bezirksausschuss (BA) Schwabing-West hat jetzt eine entsprechende Anfrage an die Verwaltung weitergeleitet.
Die Mieter fürchten, dass ihnen andernfalls über kurz oder lang wegen Eigenbedarf gekündigt werden könnte. Bereits vor zehn Jahren wurde das Haus im Grundbuch in Eigentumswohnungen aufgeteilt. Niemeyer wurden seine knapp 100 Quadratmeter damals gemäß Vorkaufsrecht für rund 950 000 Euro angeboten, mittlerweile müsste er wahrscheinlich eineinhalb Millionen berappen, schätzt er. Er selbst lebt seit 38 Jahren in der Bauerstraße 9, andere schon an die 60 Jahre. Mehrere Bewohner seien mittlerweile über 70, der älteste fast 100 Jahre alt.
Sollten sie tatsächlich ausziehen müssen, gehe ihnen nicht nur ihr Zuhause verloren, Schwabing verliere auch eine fest im Viertel verwurzelte Gemeinschaft. „Das Haus ist ein Stückchen Heimat für uns, wir haben viele Freunde in der Umgebung.“ Die Mietergemeinschaft beruft sich auch darauf, dass die Bauerstraße im Gebiet der Erhaltungssatzung liegt: gewachsene Bevölkerungsstrukturen also erhalten, Gentrifizierung verhindert werden soll. Der Eigentümer entgegnet auf Anfrage, einzelne Bewohner hätten Interesse bekundet, ihre Wohnungen „kaufen zu können, um auf dem äußerst angespannten Mietmarkt in München eine größere Sicherheit zu erreichen“. Ob das Objekt tatsächlich veräußert werde, hänge auch vom Interesse der Mieter ab. Das liest sich in dem Schreiben an die Bewohner allerdings schon deutlich konkreter.
Ein weiteres Ärgernis: Seit Gröner Family das Haus übernommen hat, seien keine nennenswerten Instandhaltungsarbeiten mehr durchgeführt worden. „Wir wenden uns wegen der Mängel an die Hausverwaltung, aber es passiert gar nix“, beklagt Niemeyer. Die Rollläden seien teilweise defekt – und was noch schwerer wiegt: Seit drei Jahren ist die Heizanlage kaputt. Als Ersatz läuft eine mobile Ölheizung, die aber in den vergangenen Wintern wiederholt an einzelnen Tagen ausgefallen sei. Der Eigentümer begründet die missliche Lage damit, dass eine Umstellung der alten Heizanlage auf Erneuerbare Energie geprüft werde, was Zeit in Anspruch nehme. Für die Sanierung sei bereits eine finanzielle Rücklage eingeplant.
Dass es sich bei dem Eckhaus in der Nähe des Kurfürstenplatzes nicht um irgendein Gebäude handelt, zeigt ein Blick auf seine Geschichte. Die später von den Nazis verfolgte und enteignete jüdische Kaufmannsfamilie Uhlfelder, die eines der größten Warenhäuser in München betrieb, ließ es ab 1928 nach dem Entwurf von Julius Metzger bauen. Der frühere Oberbürgermeister Christian Ude ist hier aufgewachsen.
DAVID NUMBERGER