Löchrige Mietpreisbremse

von Redaktion

Sie kritisieren die astronomisch hohen Mieten: Stefan Jagel (Die Linke), Anja Franz (Mieterverein) und Martin Klimesch (Rechtsanwalt). © Privat (2), Sigi Jantz (1)

Sie kritisieren die astronomisch hohen Mieten: Stefan Jagel (Die Linke), Anja Franz (Mieterverein) und Martin Klimesch (Rechtsanwalt). © Privat (2), Sigi Jantz (1)

Sie kritisieren die astronomisch hohen Mieten: Stefan Jagel (Die Linke), Anja Franz (Mieterverein) und Martin Klimesch (Rechtsanwalt). © Privat (2), Sigi Jantz (1)

In der Arnulfstraße 150 werden möblierte Wohnungen von bis zu 70 Euro pro Quadratmeter angeboten. © klaus haag

Keine Mietpreisbremse: Wer ein möbliertes Apartment anbietet, kann den Preis nach oben jagen. © IMAGO/Kerstin Boegeholz

Wer nach München ziehen will, den trifft beim Blick auf die Anzeigen der Immobilien-Portale vermutlich der Schlag – es sei denn, er ist reich wie ein Ölscheich. Denn für möblierte Wohnungen zahlt man in der Landeshauptstadt gerne zwischen 40 und 70 Euro pro Quadratmeter! Doch wer einen Arbeitsvertrag oder eine Studienplatz-Zusage hat und schnell ein Dach über dem Kopf braucht, hat oft keine Wahl. Ein Grund für die hohen Mietpreise ist, dass zu wenige Wohnungen gebaut werden. Nur etwa 6000 sind es jedes Jahr. Und wenn man sich einzelne Bauprojekte genauer anschaut, sieht man, wohin der Trend geht: Neuer Wohnraum ist meist ziemlich teuer – so wie etwa in der Arnulfstraße 150. Quartier Neuhausen nennt sich der schicke Neubau in der Nähe der Donnersbergerbrücke. Das selbst gegebene Motto: Kosmopolitisch, aber griabig.

Weniger nett sind die Mieten dort: Denn abgesehen von zumeist siebenstelligen Kaufpreisen für die 129 Wohnungen entlang der Arnulfstraße werden mitunter auch regelrechte Horrormieten gefordert: 50 Euro pro Quadratmeter, wie ein Beispiel zeigt. Bei Immoscout24 wird aktuell eine möblierte 35-Quadratmeter-Wohnung inseriert, die warm 1750 Euro kostet – für nur einen Raum. „Ein heftiger Preis, der die extremen Auswüchse am Münchner Wohnungsmarkt zeigt“, sagt Ramona Weise, Sprecherin des Münchner Mietervereins. Möglich ist das auch, weil die Vermieter bei möblierten Wohnungen Schlupflöcher nutzen können, um die Mietpreisbremse zu umgehen: Zum einen können Kosten für die Möbel draufgeschlagen werden und gleichzeitig heißt es, die Wohnungen würden nur auf Zeit vermietet. So werden auf Portalen wie Flathopper.de oder Spacest.com sogar bis zu 70 Euro pro Quadratmeter für Wohnungen in Ramersdorf oder Trudering verlangt.

Beim Quartier Neuhausen ist von einer zeitlichen Begrenzung nicht die Rede. Ist ein Mietzins von 50 Euro pro Quadratmeter also trotzdem erlaubt? „Leider ist das grundsätzlich tatsächlich möglich“, sagt Rechtsanwältin Anja Franz vom Mieterverein. Denn: „Die Mietpreisbremse gilt ja nicht für Neubauten und somit kann der Vermieter das verlangen, was der Markt hergibt.“ Fraglich sei allerdings, ob hier der Wuchertatbestand aus dem Strafrecht gelten könnte. „Jedoch ist dafür Voraussetzung, dass ein betroffener Mieter gezwungen ist, diese hohe Miete zu bezahlen, weil er sonst auf der Straße stünde“, erklärt Franz. Laut Kreisverwaltungsreferat ist das in München aber nicht der Fall. Menschen, die dringend eine Wohnung suchen, werden das anders sehen.

Mietrechtsanwalt Martin Klimesch zufolge gibt es aber „noch ein weiteres Instrumentarium, um den Mietanstieg nach oben hin zu begrenzen“: die illegale Mietpreisüberhöhung nach dem Wirtschaftsstrafgesetz. Laut Paragraf 5 handelt ordnungswidrig, wer für die Vermietung von Wohnraum „unangemessen hohe Entgelte fordert, sich versprechen lässt oder annimmt“. Die Grenze überschreiten demnach Preise, die mehr als 20 Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Doch wo kein Kläger, da kein Richter.

Manche Vermieter nutzen das geringe Angebot von Wohnungen aus, um den Preis hochzutreiben. Laut Mieterverein ist das, ebenso wie Wucher, vor Gericht schwierig zu beweisen. Das wissen die Vermieter und langen kräftig zu. Warum, will keiner verraten. Auch der Eigentümer nicht, der das Apartment in der Arnulfstraße vermietet. Eine Anfrage unserer Zeitung ließ er unbeantwortet.

Die Partei Die Linke hat eine Aktion mit dem Titel „Münchens dreisteste Vermieter“ ins Leben gerufen. Dabei können Betroffene sich bis zum 30. September melden und ihre Situation schildern. Linken-Stadtrat Stefan Jagel: „Wir können nicht weiter zuschauen, wie dreiste Vermieter die Wohnungsnot der Menschen maximal ausnutzen.“ Mit der Aktion will die Linke auf die Zustände am Wohnungsmarkt aufmerksam machen und eine Änderung herbeiführen. Die Rückmeldung mit dem bisher höchsten Mietpreis ist ein Online-Angebot, das ein Student bekommen hat: über 2 600 Euro für ein möbliertes WG-Zimmer mit 16 Quadratmetern.

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