Leichtathletikpionierin Marie Babette Kießling. © tsv 1860
Der frühere 1860-Präsident Adalbert Wetzel (re.). © imago/WEREK
Gründer der Fußballabteilung: Heinrich Zisch.
Turner und Vereinsgründer Ferdinand Harrasser. © mm-archiv
Die Ausstellungstafeln sollen die Geschichte nach außen tragen, sagt Verena Spierer. © Jens Hartmann
Schon mal was vom „Heinrich-Zisch-Stadion“ in München gehört? So hieß einst das Stadion an der Grünwalder Straße, im Volksmund als „Sechzgerstadion“ bekannt. Doch ohne Heinrich Zisch gäbe es dieses Stadion gar nicht, wie nun die Ausstellung „Stadt-Verein-Menschen“ der Abteilung Vereinsgeschichte des TSV München von 1860 im neuen Vereinsheim „Bamboleo“ (siehe Bericht unten) erzählt. Denn bis 1899 gab es im Verein nur eine Turnabteilung. Doch dann gründete der TSV-Vorturner Zisch mit anderen jungen Männern die Fußballabteilung. Zudem war er jahrelang Vorsitzender des TSV und unterstützte als Mäzen 1922 den Verein beim Erwerb und Ausbau der Sportplätze in Giesing.
„Wir wollen in dieser Ausstellung die Geschichte des TSV über die Biografien seiner Mitglieder erzählen“, erklärt Abteilungsleiterin Verena Spierer. Durch die persönlichen Geschichten soll die langjährige Vereinsgeschichte lebendig werden. Insgesamt acht Menschen hat man sich herausgepickt, darunter Lilo Knecht, die erste Frau im Präsidentenamt des TSV und damals deutschlandweit erst zweite Frau in der Führungsspitze eines Traditionsvereins. Oder Marie Babette Kießling, eine Pionierin der Frauenleichtathletik. Oder Ali Cukur, der 1982 an der Box-WM teilnahm und heute Trainer und Leiter der Abteilung Boxen ist. Aber auch Emil Ketterer, 1912 Olympiateilnehmer, 1923 beteiligt am sogenannten Hitlerputsch, NSDAP-Stadtrat in München und zehn Jahre lang Vereinschef. Zusätzlich wurden noch drei Thementafeln zur Zeitgeschichte erstellt. Eine davon beschäftigt sich beispielsweise mit dem Thema „Turnen und Politik“, eine andere mit der „Stadion-Odyssee“, einem bekanntlich leidigen Thema für die Sechzger.
Bei der Auswahl der Biografien seien die Spuren, die diese Menschen in der Vereins- und Stadtgeschichte hinterlassen hätten, entscheidend gewesen, erläutert „Geschichtslöwin“ Beatrice Wichmann. So sei der Verein in den ersten Jahrzehnten schließlich der größte und erfolgreichste Turnverein Münchens gewesen. Seine Mitglieder stammten überwiegend aus dem gehobenen Münchner Bürgertum, es gab ein weitreichendes Netzwerk zu Adel, Politik und Wirtschaft. „Ohne den TSV lässt sich die Münchner Sportgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts nicht erzählen“, ergänzt Anton Löffelmeier vom Stadtarchiv München.
Zudem beschränkte man sich beim TSV nicht auf Turnübungen und die Teilnahme an Wettkämpfen. So hatte der Verein einen Sängerkreis sowie eine eigene Hauskapelle für festliche Veranstaltungen, außerdem ab 1866 eine eigene Feuerwehr und später noch einen eigenen Sanitätszug. Das alles wäre nicht passiert ohne den Goldschmied Ferdinand Harrasser, der den Verein quasi zweimal mitbegründete: das erste Mal 1848 und dann noch mal 1860 bei der Wiedergründung.
Die insgesamt elf Ausstellungstafeln sollen Geschichte und Geschichten des TSV 1860 und der Stadtgesellschaft ab sofort nach außen tragen – im wahrsten Sinne des Wortes, meint Spierer. „Durch das mobile Format sind wir nicht an einen festen Standort gebunden, wir richten uns an Kulturzentren, Museen, Gemeinden und mehr.“ Begleitend wurde außerdem ein kulturpädagogisches Vermittlungsprogramm in Zusammenarbeit mit dem Museumspädagogischen Zentrum (MPZ) konzipiert, das künftig für Schulen und Lehrkräfte buchbar sein wird. Zunächst ist eine Lehrer-Fortbildung für den Heimat- und Sachkunde-Unterricht der Giesinger Schulen geplant.
Das professionelle Niveau der Ausstellung kommt nicht von ungefähr. So arbeitet Spierer am MPZ, Löffelmeier als Abteilungsleiter im Stadtarchiv und Historikerin Wichmann ist Chefin des Abensberger Museums. 1860-Präsident Robert Reisinger lässt ausrichten, dass er die Arbeit der „Geschichtslöwen“ – die Abteilung gibt es erst seit vier Jahren – als große Bereicherung für die Identität des Vereins empfindet.
CARMEN ICK-DIETL