Auswilderung mit dem Ultraleicht-Flieger: Die im Zoo geborenen Vögel lernen ihre Zugroute kennen. © Hellabrunn
Es ist ein kurioser Anblick: Ein Ultraleicht-Fluggerät zieht mit einem Vogelschwarm über den Himmel. Dieser Anblick ist mit einer guten Nachricht für den Schutz des Waldrapps und seine Wiederansiedlung in Deutschland verbunden, wie der Tierpark Hellabrunn jetzt meldet. Denn mit dem Ultraleicht-Flugzeug will das Waldrapp-Team des Tierparks insgesamt 36 Jungvögel in ihr Winterquartier im südspanischen Andalusien lotsen.
Gestartet ist die ungleiche Reisegruppe Mitte August am Waginger See. Die Jungvögel sind in diesem Jahr in verschiedenen Zoos geschlüpft und sollen nun ausgewildert werden. Um überleben zu können, müssen sie aber die Flugrouten in die Überwinterungsgebiete kennenlernen. Diese zeigen ihnen die tollkühnen Flieger des Waldrapp-Teams.
Die Jungvögel folgen ihren menschlichen Bezugspersonen über viele Etappen bis ins 2800 Kilometer entfernte Überwinterungsgebiet. „Zur Vorbereitung wurden tägliche Flugeinheiten mit den Tieren geübt. Anfänglich 60 Kilometer zurücklegend, erhöhte sich die Strecke nach und nach auf 300 Kilometer am Tag“, erklärt der Tierpark das Vorgehen.
Es ist das erste Mal, dass das Team und die Zugvögel eine derart lange Strecke gemeinsam zurücklegen. Geplant waren etwa 22 Tagesetappen von jeweils rund 130 Kilometern Länge. An ebenso vielen Tagen waren Pausen eingeplant, zudem kann es auch immer wieder zu Verzögerungen durch ungünstiges Wetter kommen.
Der Weg ist anspruchsvoll. Eine besondere Herausforderung sind lokale Windströmungen, etwa im Rhonetal, in der Grenzregion zwischen Frankreich und Spanien sowie der berüchtigte „Levante“ in Andalusien. Diese Winde können ungeplante Landungen notwendig machen.
Trotzdem hat die Route einen großen Vorteil: Es müssen keine größeren Gebirgskämme überquert werden. In den vergangenen Jahren wurden die Waldrappe zum Überwintern in die Toskana geführt – dafür mussten sie die Alpen überqueren. Das wird zum Problem, wenn die Vögel aufgrund des Klimawandels und der länger anhaltenden Wärme immer später ihr Brutgebiet im Norden verlassen. Sie finden dann häufig nicht mehr die ausreichende Thermik, um die hohen Bergkämme überqueren zu können.
Johannes Fritz, Projektleiter und Pilot des Waldrapp-Teams, ist überzeugt, dass die Auswilderungsmethode auch für andere bedrohte Zugvogelarten angewendet werden kann, indem man Zugrouten anpassen und neue von Menschen gegründete Populationen aufbauen kann.
MARC KNIEPKAMP