Michael Bartl war in Trudering selbst mal Grundschüler.
Andreas Gnadl von der Münchner Verkehrspolizei.
Die Grundschülerinnen Valerie und Mathilda (r.) stellen Autofahrern auch mal unliebsame Fragen.
33 Autofahrer wurden am Mittwochmorgen angehalten. 28 von ihnen waren zu schnell unterwegs.
Halt, Polizei: Die Kelle hat sich der neunjährige Leon nur schnell mal fürs Foto geschnappt. Die Kinder hatten saure Drops und Schokolade für die Autofahrer in petto. © Jens Hartmann (5)
Der Schreck steht Michael Werner regelrecht ins Gesicht geschrieben: Als ihn ein Polizist am Mittwochmorgen von der Feldbergstraße auf einen Parkplatz lotst, weiß der 59-Jährige erst gar nicht, wie ihm geschieht. Zum einen kommen nämlich mehrere Beamte zu seinem Auto. Zum anderen aber auch zwei kleine Mädchen in gelben Warnwesten. „Wissen Sie, wie schnell Sie gefahren sind“, will die achtjährige Valerie von dem Temposünder wissen. Der gibt sich angesichts seiner 42 Stundenkilometer in der 30er-Zone ganz reumütig: „Ich habe einen Fehler gemacht. Dafür entschuldige ich mich“, sagt Michael Werner. Als ihm die Kinder dann einen sauren Drops geben, kann er aber doch wieder ein bisschen lächeln.
Autofahrer, die sich an diesem Morgen an das Tempolimit halten, bekommen von den Grundschülern im Gegenzug feine Schokolade. Wie es von der Polizei heißt, gab es ganz früher für die Raser frisch aufgeschnittene Zitronenscheiben, in die sie beißen mussten. „Das war aber vor meiner Zeit“, sagt Andreas Gnadl von der Verkehrspolizei und lacht. Seit mehr als 20 Jahren schon gibt es die besondere Aktion, mit der Autofahrer in München für den Schulanfang und die jungen Verkehrsteilnehmer sensibilisiert werden sollen.
Warum sie wichtig ist, zeigt die Bilanz nach zweieinhalb Stunden in Trudering. In dieser Zeit wurden insgesamt 33 Autofahrer angehalten: 28 von ihnen waren zu schnell unterwegs. Zwölf sogar schneller als Tempo 39. Sie wurden mit einer Zahlungsaufforderung verwarnt. Für einen Raser, der mit 51 Stundenkilometern an der Schule vorbeigedonnert ist, gab es sogar eine Anzeige.
Der Fall blieb an diesem Vormittag aber die Ausnahme. „Auch wenn wir natürlich nicht zum Spaß hier sind, ist das schon ein lockerer Rahmen“, sagte Gnadl mit Blick auf seine jungen Kollegen aus den vierten Klassen. Zu ihnen gehört auch Mathilda (9), die sich selbstbewusst gibt. Sie nutze gern die Möglichkeit, die Raser mal zu schimpfen. Ihre Freundin Valerie zeigt sich verständnisvoller: „Viele fahren sicher nicht mit Absicht zu schnell.“ Um in der ganzen Aufregung nicht ihre vorbereiteten Fragen zu vergessen, haben alle Kinder Zettel dabei. Nach rund einer Stunde tauschen sich die Gruppen durch. Derweil wird ein Autofahrer nach dem anderen rausgezogen.
So wie zum Beispiel Michael Bartl, bei dem es aber nur zwei Stundenkilometer zu viel sind. Dafür wird er zwar rausgewunken, es gibt für ihn aber immer noch Schokolade von den Mädels. Der 33-Jährige kann im Gegenzug überraschen: „Ich bin hier selbst zu Grundschule gegangen.“ Klar, dass er die Aktion für die Kinder auch deshalb richtig gut findet.
Auch Michael Werner, für den es mit seinen zwölf Stundenkilometern zu schnell eine Verwarnung und Geldstrafe über 50 Euro gab, lobt die Tempomessung der besonderen Art. „Ich habe einfach nicht aufgepasst.“ Weil er zu einem wichtigen Termin unterwegs war, war er im Gespräch mit seiner Beifahrerin. Das alles sei aber kein Grund für zu schnelles Fahren. „Dafür passieren einfach zu viele Unfälle.“
NADJA HOFFMANN