MÜNCHNER FREIHEIT

Hightech-Monster und Seepferdchen

von Redaktion

Manchmal erschrecke ich über das, was an meinem linken Handgelenk geschieht. Da haust nämlich ein Geheimagent. Ehrlich gesagt handelt es sich nur um eine Uhr, aber die spioniert mich aus wie James Bond sämtliche Schurken dieser Welt. Das Gerät weiß alles über mich: wie viele Schritte ich täglich gehe, wie regelmäßig mein Herz schlägt, wer mich anruft oder mir schreibt. Zugegeben: Ich habe mich aus freien Stücken dieser Spionage ausgeliefert. Das unterscheidet mich von Dr. No. Aber dafür lächle ich abends stolz über meine 12 000 Schritte, während Dr. No immer noch die Welt zerstören will.

Ich besitze durchaus auch eine andere Uhr, eine sehr schöne sogar, mit der ich beim Schnecken-Checken in der Pinakothek der Moderne stilsicher punkten würde. Aber verglichen mit dem Computer, den ich sonst an meinem Handgelenk trage, ist meine Design-Uhr dann doch eher die Blondine aus den Witzen: Vielleicht ganz schön, aber ehrlich gesagt ziemlich dumm. Die Uhr zeigt nur die Uhrzeit an – wie banal! Bei dem Hightech-Monster an meinem Handgelenk dagegen würde es mich nicht überraschen, entdeckte ich nach dem nächsten Update plötzlich eine Quirl-Funktion – oder gleich einen ganzen Thermomix.

Besonders schön an meiner Uhr finde ich die Grafik, die mir anzeigt, wie ich mich beim Joggen durch die Stadt bewegt habe. Da sieht man dann neben der Zeit lustige Kringel auf dem Display – und die sorgen zuweilen für große Überraschungen: Neulich entdeckte ich zum Beispiel, dass meine Joggingrunde aussah wie ein Seepferdchen. Das wiederum spornte mich an. Seitdem ertappe ich mich immer wieder dabei, wie ich über dem Stadtplan sitze und Motto-Joggingstrecken suche. Wenn ich zum Beispiel am Odeonsplatz loslaufe Richtung Westen, mich nach dem Stiglmaierplatz in zwei Bögen durch die Maxvorstadt bewege und dann über das Siegestor und die Ludwigstraße wieder zum Odeonsplatz zurücklaufe, dann habe ich mit meiner Uhr ein Herz in den Stadtplan gemalt. Und mit dem Altstadtring, der Lindwurmstraße und einigen ihrer Parallelstraßen sowie einem komplizierten Rundkurs durch Berg-am-Laim und Giesing dürfte sich tatsächlich ein Elefant zeichnen lassen. Blöd nur, dass diese Strecke 22 Kilometer lang ist. Da muss ich wohl auf das Update warten, das ein Sauerstoffzelt in meine Uhr integriert.

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