Werden ignoriert: die Verbotsschilder an der Tramlinie.
Totaler Wildwuchs: Jede Menge Radl werden derzeit am Zaun entlang der Tramgleise an der Arnulfstraße angekettet.
Jede Menge Platz für Fahrräder: Thomas Schimitschek wünscht sich, dass die Schalterhalle des Starnberger Flügelbahnhofs für Drahtesel freigegeben wird. © Marcus Schlaf (3)
Für Thomas Schimitschek ist es ein Dauerärgernis. Der Pendler fährt täglich mit der Bahn von Tutzing (Kreis Starnberg) zum Hauptbahnhof. Dort schwingt sich der Prokurist auf sein Rad und bewältigt so die letzten Kilometer bis zu seiner Arbeitsstelle, einem Möbelhaus an der Münchner Freiheit. Und abends zurück. Wo er sein Radl dann abstellt, ist reine Glücksache – es gibt kaum vernünftige Radlparkplätze. Stattdessen: Wildwuchs.
Rund um den Bahnhof stehen hunderte, wenn nicht tausende Räder entlang der Gehsteige. Jeder parkt, wo er will – und wo es eben geht. Sogar am Zaun, der die Gleise der Tram von der Arnulfstraße abgrenzt, sind wohl dutzende Radl angekettet. Zwar prangt gefühlt alle zehn Meter ein Verbotsschild: Fahrräder abstellen verboten. Doch das wird – wohl aus der Not – souverän missachtet.
Ein Unbekannter hat sich sogar den Spaß gemacht, eines der Schilder zu überkleben. „Wir hoffen, dass es die DB schafft, in diesem chaotischen und desolaten Bahnhofsumfeld gute Alternativen für Fahrradfahrer anzubieten“, heißt es spöttisch auf dem Plakat mit einem nachgemachten MVG-Logo. „Bis dies vielleicht hoffentlich irgendwann passiert, parken sie gerne hier!!“
„Es ist das totale Chaos“, schimpft Schimitschek. Ein vernünftiges Radl-Parkhaus, wie es in vielen Großstädten üblich ist (aber auch in Pasing oder in Freising), gibt es am Hauptbahnhof nicht. Es ist auch nicht in Sicht. Jetzt, wo der Bahnhof wegen des Baus für die Zweite Stammstrecke und des Neubaus des Bahnhofsgebäudes immer mehr zur Großbaustelle wird, wird es für Radlfahrer immer enger. An sie wurde offenbar bei der Einrichtung der Baustellenflächen nicht gedacht.
Andreas Barth von Pro Bahn sieht da auch die Stadt in der Pflicht. „Sie muss die Bahn ins Gebet nehmen“, sagt der Verkehrs-Lobbyist. Er fordert sogar, dass sich Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) einschalten sollte. „Man muss den Radlern doch Alternativen bieten. Das Ganze ist denkbar schlecht organisiert.“
Eine Möglichkeit gäbe es, sagt Pendler Schimitschek: Die Schalterhalle des Starnberger Flügelbahnhof steht seit Monaten gähnend leer. Früher war hier ein Ankunftszentrum für Flüchtlinge, doch die Einrichtungen dafür sind längst abgebaut. Schimitschek hat nachgebohrt, ob die Bahn die Halle öffnen könnte, bekam aber eine Absage. Das Mobilitätsreferat der Stadt erklärt: Die Halle ist nicht im Besitz der Stadt, sondern gehört der Bahn.
Von dort sei mitgeteilt worden, „dass die Schalterhalle leider nicht zwischengenutzt werden kann“. Sie solle im Jahr 2025 abgerissen werden. Bis dahin werde sie als „letzte Rückfall- und Zwischennutzungsebene“ für Großereignisse vorsorglich freigehalten. Sprecherin Franziska Hartmann vom Mobilitätsreferat räumt selbst ein, dass die gegenwärtige Situation „nicht den Ansprüchen an ein hinreichendes Bike-&-Ride-Angebot“ gerecht werde. „Vereinzelt“ seien schon Ersatzflächen, etwa an der Bayerstraße, der Goethestraße und der Hirtenstraße, eingerichtet worden. Doch das genüge nicht.
Nun werde für den Stadtrat eine Beschlussvorlage mit dem vielversprechenden Titel „Konzept für das bauzeitliche Fahrradparken am Hauptbahnhof“ vorbereitet. Sie soll wohl im Dezember vorgelegt werden – bis dahin wird sich Thomas Schimitschek gedulden müssen.
DIRK WALTER