Ellen Kozak (33) beeindruckt die Dekonstruktion.
Die Besucher Dorothea Wittek (40) und Christian Olsen (39) finden die „Frau mit Violine“ düster.
Nele (28) und Max Gertlowski (30) suchen die Violine in Picassos Werk. So wie alle anderen Besucher. © Oliver Bodmer (3)
Eigentlich hängt die „Frau mit Violine“ schon seit 2014 in München. Doch bisher war das kubistische Gemälde von Pablo Picasso eine Leihgabe. Nun haben es die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen der Besitzerfamilie abgekauft – es gehört jetzt der Pinakothek der Moderne (wir berichteten).
Den Besuchern macht das frisch gerahmte und zwischen anderen Kubisten neu aufgehängte Bild Spaß, so viel steht fest. „Seit dem Kauf kommen deutlich mehr Menschen“, sagt der zuständige Wachmann in Saal 29, „sie kommen rein und rennen direkt auf den neuen Picasso zu. Dann stehen sie da und denken mindestens zehn Minuten lang nach.“
Verständlich, denn die „Frau mit Violine“ ist kompliziert. Das Werk aus dem Jahr 1911 markiert einen Höhepunkt in Picassos Entwicklung, alle Motive immer stärker in Vierecke und Kreise zu zerlegen. Kubismus total also. Kurz gesagt, man erkennt kaum noch Frau oder Instrument. „Ich sehe eine Zunge, aber keine Violine“, sagt etwa Pinakothek-Besucherin Dorothea Wittek (40) skeptisch. „Bei dem Braque-Gemälde daneben erkennt man wenigstens zwei Arme und einen Tierkopf. Die Farben sind dort auch leuchtender.“ Georges Braques „Frau mit Mandoline“ von 1910 hängt, zum Vergleich der beiden Kubisten, direkt links neben Picassos Musikantin. Rechts von der Violinistin sind, ebenfalls zum Vergleich, frühere Picassos ausgestellt, nämlich eine noch sehr gut erkennbare „Kristallschale“ und ein schon etwas stärker aufgelöstes Stillleben mit „Fächer“. „Die Entwicklung von Picassos analytisch-kubistischem Vokabular bis hin zur ‚Frau mit Violine‘ wird damit in München nun grandios sichtbar“, freut sich Pinakotheken-Sprecherin Sarah Stratenwerth.
Besucherin Ellen Kozak (33) drückt es so aus: „Die ‚Frau mit Violine‘ lässt viel Spielraum für Fantasie. Ich finde es schwierig. Aber auch interessant, wie man den menschlichen Körper zerlegen kann.“
Nele (28) und Max Gertlowski (30) hingegen haben folgende Idee: „Hier darf sich jeder selbst aussuchen, wo die Violine ist. Wobei die Violine natürlich als ein Teil der Frau versteckt sein könnte.“ Wenige Meter weiter erörtern andere Besucher, ob ein weißes Viereck mit einem eingemalten T im Bild unten links womöglich das Hinterteil oder den vorderen Unterleib der Dame darstellen soll.
Vielleicht hatte auch Kunstminister Markus Blume ähnliche Überlegungen, als er bei der Enthüllung des Neuankaufs Picassos „Frau mit Violine“ selbstbewusst als „unsere kubistische Version der Mama Bavaria“ bezeichnete. Beide sind jedenfalls jetzt schon ein voller Erfolg.
I. WINKLBAUER