Der Experte rät zum Maßnahmen-Mix: Stephan Kippes hat einen Plan gegen die Miet-Krise. © Michaela Stache
Trotz vieler Baukräne: In München entstehen zu wenig Wohnungen. © Jens Hartmann
Seit Jahren kennen die Mietpreise in München nur eine Richtung: nach oben durch die Decke. Der Grund: Immer mehr Menschen suchen Wohnungen, von denen in der Stadt viel zu wenige gebaut werden. 2023 hat die Stadt mit 9837 fertiggestellten Wohnungen zwar ihre eigene Zielvorgabe von 8500 übertroffen. Weil von 2017 bis 2022 im Schnitt nur 7740 Wohnungen jährlich entstanden sind, ist der Nachholbedarf aber riesig.
Doch was tun? Die Lösung liegt in einem Maßnahmen-Mix, sagt Stephan Kippes vom Immobilienverband IVD. Kippes feiert beim Verband heuer ein Jubiläum: 30 Jahre in der Geschäftsführung. Mit dieser Erfahrung hat der Immobilienexperte nun Bilanz gezogen: Was lief schlecht, was lief gut – und mit welchem Masterplan kann man die Miet-Krise wenigstens mindern:
Das lief schlecht: „Vieles wurde probiert, vieles scheiterte oder brachte nur sehr bedingte Erfolge“, sagt Kippes. Traurige Beispiele seien die Mietpreisbremse und der Mietendeckel. „Die haben vielleicht denen etwas gebracht, die besser verdienen oder bereits eine Wohnung haben.“ Nicht aber den schlechter gestellten Menschen oder denjenigen, die auf Wohnungssuche sind. Dazu komme: „Über viele Jahre wurde zu wenig gebaut.“ Die hochtrabenden Ziele der Regierung seien krachend verfehlt worden – was sich bis in die Ballungszentren wie München hinunterziehe.
Das lief zuletzt besser: „Es wurde immer mehr erkannt, dass genossenschaftliches Wohnen eine der großen Chancen ist, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, sagt Kippes. Und auch die Notwendigkeit, Werkswohnungen zu errichten, würden die Betriebe zunehmend wieder erkennen – wenn auch getrieben durch den Fachkräftemangel.
Was nun zu tun ist: „Es muss klar sein, dass sich die Wohnungsprobleme nicht durch Einzelmaßnahmen lösen lassen, sondern bestenfalls durch einen Methoden-Mix“, sagt Kippes. Die Nachverdichtung ist eine Methode, der Ausbau von Dachgeschossen eine andere. Es müsse aber auch eine vernünftige Politik bei der Ausweisung von neuem Bauland her. Und auch in vermehrten Homeoffice-Angeboten sieht Kippes eine Chance, weil der Umkreis für die Wohnungssuche zunimmt (siehe Kasten).
Weitere Punkte in Kippes‘ Masterplan gegen die Miet-Krise: den Neubau fördern, z.B. durch eine verminderte oder komplett gestrichene Grunderwerbssteuer bei einer Erstbebauung; Anreize setzen, damit Menschen von unnötig großen in kleinere Wohnungen umziehen und so Platz für Familien schaffen; Studentenwohnungen schaffen. „Es kann nicht sein, dass Studenten nun zu privaten Vermietern gehen müssen, weil tausende Studentenwohnungen wegen einer Sanierung jahrelang nicht zur Verfügung stehen“, sagt Kippes.
Der Fachmann rät der Politik außerdem dazu, auch mal „exotisch zu denken“. In Italien seien beispielweise Arkadenbauten über vielen Gehwegen entstanden – quasi oben wohnen, unten spazieren gehen. Und nicht zuletzt ein Appell an die „große Politik“: Die strukturschwachen Regionen müssen laut Kippes gefördert werden, damit nicht mehr so viele Menschen gezwungen sind, in die Ballungszentren zu drängen. Hier müsse man die ausblutenden Regionen stärken.
„Da sind auch die Abgeordneten und der OB der Stadt München gefragt, entsprechenden Druck nach oben zu machen“, sagt Kippes. Denn die Miet-Krise sei in erster Linie ein Strukturproblem.
ANDREAS DASCHNER