Die Realschule an der Hohenzollernstraße verzichtete auf Exen.
Stress im Klassenzimmer? Exen stehen deshalb in der Debatte. © Uli Deck/dpa, Götzfried (2)
Die Exen an Schulen bleiben! Das hat Ministerpräsident Markus Söder auf einer CSU-Tagung bestimmt (wir berichteten). Allerdings ist das nicht als Exen-Pflicht zu verstehen. Denn laut Bayerischer Schulordnung bestimmen Schulen selbst, ob sie überraschende Exen schreiben lassen wollen oder lieber angekündigte Tests. „Viele Schulen verzichten deshalb bereits auf Exen“, erklärt das Kultusministerium.
Eine Schule, die das Experiment gewagt hat, ist die Hermann-Frieb-Realschule am Hohenzollernplatz: Sie hat von 2013 bis 2020 den Schülern Kurztests eine Woche vorher angesagt. „Wir waren der Ansicht, dass das eine fairere Leistungsmessung ist als die überraschende Ex“, sagt Konrektor Gregor Buchberger (51). Er erklärt, warum Schulleitung und Kollegium den Versuch damals beschlossen haben: „Wir wollten einerseits, dass die Kinder keine Prüfungsangst mehr haben. Andererseits sollten sie lernen, sich und ihre Termine besser zu organisieren. Wir haben ihnen die Eigenverantwortung für ihren Lernerfolg zugetraut.“
Buchberger hat die Testphase mit der früheren Rektorin Eva-Maria Marxen initiiert und erinnert sich gut an die erwarteten und unerwarteten Effekte. „Was die Noten der Kinder betrifft, so haben sich diese tatsächlich verbessert“, erzählt er. „Viele Schüler haben sich besser vorbereitet. Allerdings haben die Noten sich nur ein bisschen verbessert. Wir hatten das viel deutlicher erwartet. Es gab immer noch Sechser.“ Trotz angekündigtem Test hätten Schüler nichts gelernt, sei es aus Überforderung, Motivationsmangel oder wegen häuslicher Probleme. Andererseits habe man so besser Ursachforschung betreiben können. „Schließlich fiel die Erklärung der Schüler weg, sie seien eiskalt überrascht worden. Sie mussten sich mit den wahren Gründen für die Sechs auseinandersetzen.“ In Sachen Selbstorganisation hätten die jungen Leute aber viel hinzugelernt, das sei keine Frage.
2020 fanden die angekündigten Tests dann keine Mehrheit mehr im Kollegium. Einer der Gründe: Viele Lehrer fanden, dass die Schüler nicht mehr kontinuierlich, sondern nur noch die angekündigten Test-Themen lernen. „Ebenfalls störend war, dass oft Schüler am Tag der angekündigten Tests krank waren. Ständig Nachprüftermine zu organisieren, war aufwendig und für die Schüler nicht von Vorteil“, sagt Buchberger.
Erstaunlicherweise gab es aber keinen Aufschrei, als wieder unangekündigte Exen kamen. „Der Wechsel war kein Aufreger“, so Buchberger, „weder bei den Schülern noch bei den Eltern.“ Ist der Unterschied vielleicht gar nicht so groß? Der Konrektor hält es für möglich. „Schüler entwickeln eine gewisse Fähigkeit, Themen selbstständig so einzuordnen, dass sie eine Ex kommen sehen. Sie lernen das System Schule beherrschen. Wobei diese Fähigkeit ja nur in der Schule gebraucht wird. Wir sollten aber Lebensfähigkeit vermitteln, nicht nur Schulwissen.“
In Kürze findet an der Hermann-Frieb-Realschule eine pädagogische Klausurtagung statt. Dort wollen die Lehrer erneut über moderne Leistungserhebung sprechen – und beraten, ob sie nicht wieder auf Überraschungs-Exen verzichten wollen.
ISABEL WINKLBAUER