Der Strecken-Streit

von Redaktion

Schulweg neu bemessen: Kein Zuschuss mehr für Münchnerin

Über einen Nebeneingang zum Gelände des Erasmus-Grasser-Gymnasiums führt der Weg zum Ludwigsgymnasium.

Sonja H. soll der Zuschuss gestrichen werden.

Die Baustelle auf der Fürstenrieder Straße macht den Schulweg gefährlich. © Yannick Thedens (3)

Mit dem Bus fahren Luisa (12) und Pia (11) morgens ins Ludwigsgymnasium in Sendling-Westpark. Ihre Mutter Sonja H. (44) bekam dafür bislang einen Fahrtkostenzuschuss in Höhe von 365 Euro pro Kind. Doch dann der Schock: Das Referat für Bildung und Sport (RBS) will den Zuschuss nicht mehr zahlen – weil der Schulweg neu berechnet wurde. Und der ist damit 300 Meter zu kurz.

Hintergrund ist das sogenannte Schulwegkostenfreiheitsgesetz. Die Paragrafen hinter dem sperrigen Begriff regeln unter anderem den Zuschuss für Jahrestickets für den öffentlichen Nahverkehr für Schüler. Und diesen Zuschuss gibt es laut dem Gesetz für Kinder der 5. Jahrgangsstufe nur, wenn die Strecke mindestens drei Kilometer lang ist. Das war Luisas und Pias Schulweg bislang auch – und ist es jetzt plötzlich nicht mehr. Was Sonja H. so gar nicht nachvollziehen kann: „Unsere Wohnung ist noch an genau derselben Stelle wie beim Erstantrag vor zwei Jahren. Aber plötzlich soll sich die Entfernung geändert haben?“

Die Begründung der Stadt: Bisher wurde der Online-Kartendienst Google Maps als Routenplaner herangezogen. Doch neuerdings verwendet das RBS das Raumplanungstool RISBY. Das heißt: Alle bisher genehmigten Bescheide werden neu untersucht. Die Messung mit Google Maps sei zu ungenau, heißt es aus dem Referat. Deswegen sei der aktuelle Bescheid für Sonja H. ungültig.

Was für die Familie besonders bitter ist: Der Schulweg führt auch über die Fürstenrieder Straße, die wegen der dortigen Großbaustelle eine Ansammlung von Gefahrenstellen ist. „Ausgerechnet jetzt übernimmt die Stadt die Kosten für das MVV-Ticket nicht mehr“, sagt Sonja H. Die Mutter befestigt einen Kilometerzähler an ihrem Fahrrad. Gemeinsam mit ihren Kindern bahnt sie sich den Weg vorbei an Absperrungen, Fahrbahnverengungen und Baustellenfahrzeugen. „Das Schlimmste ist, dass die Straße jeden Tag anders aussieht“, sagt Tochter Luisa. Ihre Schwester musste einmal so scharf bremsen, dass andere Radfahrer in sie hineinfuhren, berichtet sie.

Sonja H. schaut auf einen Bagger, der vor ihr auf den Gehweg rollt. Dahinter liegt der Eingang zum Campusgelände. Aber: „Das ist hier der Eingang zum benachbarten Erasmus-Grasser-Gymnasium“, erklärt die Mutter. Dort definierte das RBS dieses Jahr den Endpunkt des Schulweges für Luisa und Pia – und kam damit auf 2,7 Kilometer. „Aber unsere Töchter gehen auf das Ludwigsgymnasium.“ Sonja H. fährt die letzten Meter bis zum Haupttor des Gymnasiums ihrer Töchter und schaut auf ihren Kilometerzähler: 3,18 Kilometer.

„Die versuchen ganz klar, Kosten nicht zu übernehmen“, urteilt auch Dr. Anna Leuchtweis vom Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg. Das RBS gibt jedoch an, sich gesetzeskonform zu verhalten. Demnach ende der Schulweg immer am nächstgelegenen Eingang des Schulgrundstücks. Auch wenn das der Nebeneingang des Nachbargymnasiums ist. „Eine Anpassung könne nur durch Gesetzesnovelle erfolgen“, sagt eine RBS-Sprecherin.

In der vergangenen Legislatur hatte es bereits von der SPD und den Landtagsgrünen eine Forderung gegeben, das bestehende Gesetz zu reformieren. „Die vielen bürokratischen Sonderregeln im bestehenden Gesetz machen wenig Sinn“, so die Grünen in einer Pressemitteilung.

Auf der Fürstenrieder Straße herrscht mittlerweile Berufsverkehr. Sonja H. bleibt stehen und schießt Beweisfotos. „Es gibt eine Sonderregelung“, erklärt sie dann: Die Schulbeförderungsverordnung sehe bei gefährlichen Schulwegen vor, die Kosten für das Jahresticket zu übernehmen, auch wenn die Strecke kürzer als drei Kilometer ist. Ob die Großbaustelle an der Fürstenrieder Straße gefährlich genug ist, bleibt abzuwarten. Aktuell liege für diesen Schulweg keine Gefährdungsbeurteilung vor, erklärt das RBS. Um das zu erreichen, gab mittlerweile Bürgermeisterin Verena Dietl ein Gutachten in Auftrag. Sollte das auch negativ ausfallen, bliebe Sonja H. nur eine Klage beim Verwaltungsgericht.
SABRINA PROSKE

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