Die RSV-Impfung wird Babys in den Oberschenkel injiziert. Philipp Schoof wartet auf den Impfstoff (u. re.). © mauritius images, Schlaf
Fast jedes Kind macht sie einmal durch: eine Infektion mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV). Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die RSV-Impfung für Neugeborene und Säuglinge seit diesem August. Als der Münchner Kinderarzt Philipp Schoof in unserer Zeitung liest, dass nun auch das Gesundheitsreferat an Eltern appelliert, die Prophylaxe zu nutzen, kann er nur den Kopf schütteln. Er hätte die Impfkampagne gerne längst begonnen – schließlich beginnt die RSV-Saison im Oktober. Er kann aber nicht. Denn: Der Impfstoff ist (fast) nicht verfügbar.
Als „völlig absurd“ bezeichnet Schoof die momentane Situation. „Man weiß seit eineinhalb Jahren, dass diesen Herbst geimpft werden soll.“ 2023 wurde der RSV-Impfstoff in Deutschland zugelassen. „Idealerweise hätten wir im September mit dem Impfen begonnen“, sagt Schoof. Die Rechtsverordnung des Gesundheitsministeriums zur Verabreichung des Impfstoffs sei zu spät gekommen, kritisiert der Kinderarzt. Deswegen mangele es jetzt an den nötigen Seren. Bisher gab es nur wenige Dosen für sehr gefährdete Kinder, aber nicht genug für die breite Masse.
Zwar hat nicht jedes Baby, das an RSV erkrankt, einen schweren Verlauf. Aber: „Wir erleben jeden Winter in unseren Praxen eine RSV-Welle, bei der auch sonst gesunde Säuglinge schwer erkranken“, sagt Schoof. Deswegen sei die passive Impfung, die es bisher nicht gab, so wichtig. Denn die Atemwegserkrankung kann für Säuglinge lebensbedrohlich werden. Besonders gefährdet sind Frühchen und Kinder mit chronischen Erkrankungen.
Seit Anfang September wartet auch Oliver Tüting von der Gärtnerplatz-Apotheke auf den Impfstoff, er steht bei drei von vier Großhändlern auf der Warteliste. „Ich wurde schon mehrfach vertröstet. Aber der deutsche, der spanische und der französische Impfstoff sind einfach nicht lieferbar. Und die Kinderarztpraxis fragt auch ständig nach. Das ist der Wahnsinn.“ Nun hofft der Inhaber auf den amerikanischen Impfstoff. Der wird laut Hersteller Sanofi seit dem 14. Oktober ausgeliefert. Der Nachteil hier: Es gibt ihn nur im Fünfer-Pack. Und den müssen die Praxen dann auch komplett abnehmen.
Von Sanofi heißt es auch, dass ab dieser Woche alle Neugeborenen und Säuglinge immunisiert werden können. Fast eine halbe Million Dosen stehen laut dem Hersteller zur Verfügung. Schoof hofft, dass er bald mit dem Impfen beginnen kann. Dabei sieht er sich im Wettlauf gegen das Virus. „Ich hoffe, dass die RSV-Welle spät losgeht und wir noch viele Kinder schützen können“, so der Mediziner. Hätte es damals schon eine Impfung gegeben, hätte er seine eigenen Kinder auf jeden Fall auch geimpft, betont der 51-jährige.
LEA SCHÜTZ