Unter anderem mit Bannern wehrten sich die Mieter des Sigi-Sommer-Hauses gegen die Sanierung.
Kämpften lange gegen die Luxussanierung: Die Eheleute Albert Knoll (li.) und Jan Erdmann. © Götzfried (2), Schlaf
Abschied: Jan Erdmann zieht nach langem Kampf aus dem Sigi-Sommer-Haus aus.
Viele Jahre hat sich Jan Erdmann im Bezirksausschuss (BA) Sendling gegen die Gentrifizierung eingesetzt. Nun ist er selbst Opfer einer Luxussanierung geworden. Und die kostet ihn sogar sein politisches Amt. Weil er nicht in seinem Wohnhaus bleiben kann, zieht er nun nach Ramersdorf – und scheidet damit zwangsweise aus dem BA in Sendling aus. Verabschiedet wurde er bereits. „Ich habe schon ein bisschen das Gefühl, ich hätte aufgegeben“, sagt der 60-Jährige.
Mehr als 20 Jahre lebte Erdmann mit seinem Ehemann Albert Knoll im Sigi-Sommer-Haus an der Schäftlarnstraße. Vor zwei Jahren dann der Schock: Das Haus nahe dem Sigi-Sommer-Platz sollte saniert, die Mieten dann deutlich erhöht werden. Gentrifizierung in Reinkultur. Zusammen mit anderen Bewohnern kämpften Erdmann und Knoll dagegen an – vergeblich. Das Sigi-Sommer-Haus ist eingerüstet, die Sanierung läuft mittlerweile.
„Es gab ein Gespräch mit dem Eigentümer“, berichtet Erdmann. Das Angebot: Bei einem Auszug sollte das Paar eine Abfindung erhalten. Erdmann und Knoll lehnten ab – woraufhin er zwei neue Angebote erhielt: Wieder eine Ablöse. Oder aber die Miete sollte, festgeschrieben auf zehn Jahre, nur um zwei Euro pro Quadratmeter erhöht werden.
Was zunächst verlockend klingt, war für Erdmann und Knoll aber kein gangbarer Weg – zumal das Paar nach Ablauf der Zeit mit einer deutlichen Mieterhöhung rechnet. Dann bliebe Erdmann und Knoll wieder nur der Auszug. „In zehn Jahren sind wir aber um die 70 Jahre alt, da bekommen wir keine Wohnung mehr in München“, glaubt der langjährige Viertelpolitiker. Er und sein Mann entschlossen sich deshalb für das Geld – und den Umzug nach Ramersdorf. „Mit der Ablöse und unserem Ersparten können wir uns etwas eigenes kaufen.“
Ob er in seinem neuen Stadtviertel für den dortigen BA kandidieren will, steht noch nicht endgültig fest – zumal Erdmann auch einen beruflichen Wechsel vollzogen hat. „Ich bin von der Pflege zu einer Dozentenstelle an der katholischen Stiftungshochschule gewechselt“, erzählt er. Das binde viel Zeit. Erdmann sagt aber auch: „In zwei Jahren werde ich die Füße wahrscheinlich nicht mehr stillhalten können.“
Einer seiner Wünsche für Sendling – neben dem Schutz von Grünanlagen und dem Erhalt der Diversität – ist indessen: „Mehr Maßnahmen gegen die Gentrifizierung.“ Damit es nicht mehr Menschen so geht wie ihm. Und damit sich sein Wegzug nicht mehr ganz so anfühlt, als hätte er aufgegeben.
ANDREAS DASCHNER