Was ist bloß am Stachus los?

von Redaktion

Banden-Alarm: Jugendliche drangsalieren Händler

Susanne Stein, Büroleiterin VMS, will, dass sich für die Händler etwas ändert. © Martin Hangen

Am Stachus nimmt die Kriminalität zu. Die Händler vor Ort wünschen sich daher mehr Polizeipräsenz. © Leonie Hudelmaier

Lisi R. hat Angst um ihren Sohn. Sie möchte ihren ganzen Namen nicht in der Zeitung lesen, denn sie fürchtet, dass jemand ihre Maroni-Stände zerstört oder dem Sohn, der am Stachus verkauft, was antut. Die Familie betreibt in der dritten Generation Maroni-Stände in der Innenstadt und würde dies gerne auch weiterhin tun. „Wir sind verzweifelt. Wir haben hier Jugendbanden – eigentlich sind das fast noch Kinder. Einige sind vermutlich auch noch gar nicht strafmündig“, sagt sie.

Mit 150 anderen organisiert sich Lisi R. jetzt im neu gegründeten Verband der Münchner Standbetreiber (VMS). Die Büroleiterin des VMS, Susanne Stein, kritisiert, dass vor allem am Stachus die Übergriffe auf Obst- und Maroni-Verkäufer zunähmen und es auch vermehrt Probleme mit Sachbeschädigung, Müllbergen und Drogen gäbe.

Das bestätigt Lisi R.: „Die Leute trauen sich auch kaum noch, ihren Geldbeutel rauszuholen. Die Präsenz der Banden ist einfach geschäftsschädigend.“ Aber nicht nur sie, auch aggressive Bettler, Exhibitionisten und Betrunkene bereiten den Verkäufern am Stachus Sorgen.

Sabine Powik will deshalb nicht mehr mit ihrem Obststand am Karlsplatz stehen. „Man hat schon vorher Magenschmerzen. Einmal musste ein Kunde die Polizei rufen, weil mich ein Betrunkener belästigt hat. Uns ist schon mehrmals etwas passiert. Mein Mann wollte zum Beispiel nur den Anhänger ans Auto koppeln, als sechs junge Burschen kamen und ihn angepöbelt haben.“

Üblicherweise rotieren die Standbesitzer ihre Standorte. Doch der Stachus wird von immer mehr Betreibern ausgelassen. „Da verzichte ich lieber auf das Geld, als dass ich meine Gesundheit oder die meiner Mitarbeiter gefährde“, sagt Obststandbesitzer Daniel N. Er verkauft nur noch an den anderen Plätzen in der Fußgängerzone. „Es muss immer erst was passieren, bevor was passiert.“

Der Mitarbeiter vom Maroni-Stand kann sich zum Glück wehren. In seinem anderen Job ist er Kampfsporttrainer. „Ich hatte letztens eine Auseinandersetzung mit 30 Leuten“, erzählt der Münchner mit türkischen Wurzeln. „Aber ich spreche ihre Sprache und konnte deshalb deeskalierend auf sie einwirken. Doch selbst ich fühle mich oft unwohl. Frauen arbeiten hier schon gar nicht mehr. Das ist die Altstadt und quasi das Herz Münchens, das ist schon ganz schön traurig. Ein Problem ist: Hier kommt einfach zu selten Polizei. Bei denen heißt es immer: Wir haben nicht genügend Personal für mehr Streifen.“

Daniel N. ergänzt: „Manche Plätze werden einfach aufgegeben und dann nimmt die Kriminalität zu.“ Die Polizei konnte gestern aufgrund der Komplexität der Situation noch keine Einschätzung der Lage treffen.

Die umliegenden Geschäfte haben sich zum Teil selbst geholfen. Die McDonald’s-Filiale am Stachus verfügt schon seit einigen Jahren über Security-Kräfte und hat Kameras installiert. Mitarbeiter des angrenzenden Hugendubel haben zum Teil eine „Selbstschutzschulung“ bekommen. Eine Sprecherin der Buchhandlung sagt: „Wir sind uns der Problematik bewusst und stellen eine deutliche Veränderung der Situation am Stachus fest.“ Weiter heißt es: „Die Sicherheit der Mitarbeiter steht für uns im Fokus. Seit einiger Zeit haben wir daher das Sicherheitspersonal der Filiale verstärkt. Zudem bieten wir mit Unterstützung der Polizei freiwillige Maßnahmen für die Angestellten an.“

Der Verband der Münchner Standbetreiber will jetzt auf die Probleme der Standlbesitzer aufmerksam machen. „Wir planen eine Unterschriftensammlung, die ans Rathaus gehen soll“, sagt Susanne Stein. „Leider werden es immer weniger Standlbetreiber, die den Job überhaupt noch machen wollen. So ist eine alte Münchner Tradition gefährdet.“
G. WINTER

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