Angst um Viktualienmarkt

von Redaktion

Sanierungsstopp und Regelflut: Händler schreiben Brandbrief

Uralte, halsbrecherische Stiegen sind keine Seltenheit auf dem unsanierten Markt. © Marcus Schlaf (2)

Kein öffentliches Netz fürs Tablet, Mehrwegpflicht, Gastro-Vielfalt in Gefahr: IVG-Sprecher Marco Stohr und die anderen Standl-Chefs auf dem Viktualienmarkt haben viele brennende Themen.

München ohne den Viktualienmarkt? Unvorstellbar seit mehr als 200 Jahren! Aber jetzt schlagen die Händler wegen des Stopps der Marktsanierung und wegen der Regelflut Alarm. Marco Stohr, Sprecher der Interessengemeinschaft Viktualienmarkt (IGV), und seine Mitstreiter fordern: „Die Politik muss enger mit den Händlern zusammenarbeiten! Sonst verpassen wir den notwendigen Wandel.“

Die neueste Regel der Markthallen: Ab 1. Januar 2025 dürfen keine Einwegbecher mehr auf dem Markt ausgegeben werden – in den Geschäften darum herum aber schon. „Keine Frage, auch wir wollen Müll vermeiden“, sagt Stohr, „aber dann sollte man eine Regel für die gesamte Innenstadt erlassen und nicht den Viktualienmarkt benachteiligen! Die Geschäfte in direkter Nähe werden zu nichts verpflichtet, werden also nicht belastet. Akzeptieren die Besucher das Pfandsystem nicht, gehen sie zehn Meter weiter zur Konkurrenz.“ Mehrweggeschirr müsse nicht nur angeschafft, sondern auch gereinigt, vielleicht neue Maschinen angeschafft werden, so Stohr. „Wir wollen Umweltschutz – schon länger visieren wir Händler deshalb eine Kooperation mit einem Mehrwegsystem, etwa Recup, an. Auch eine Verpackungssteuer wie in Tübingen halten wir für praktikabel.“

Zu den bislang fehlenden Plänen für die Marktsanierung sagt Stohr, die Händler bräuchten dringend mehr Lagerplatz. Keller, Dächer und Stromleitungen sähen teils aus wie aus der Mitte des letzten Jahrhunderts, manche Stände hätten nicht einmal fließend Wasser. „Die Keller sind viel zu klein, teils nur 20 Quadratmeter, und reichen immer nur bis zu den Mauern des jeweiligen Stands. Als ich vorgeschlagen habe, selbst zu sanieren, kam nur zurück: geht nicht. Bestandsschutz, Brandschutz, Bodenkontaminierung und so weiter. Dürften wir Händler selbst sanieren, wären unsere Standl in zwei Monaten fertig.“ Das vielleicht größte Problem: Auf dem Viktualienmarkt gibt es sehr wenige Toiletten.

Auch die Vergabe von Imbiss- und Ausschank-Lizenzen sorgt für Unmut. „Unser Markt ist kein reiner Versorgermarkt mehr“, sagt Stohr, „es gibt eine hohe Nachfrage nach Gastro-Angeboten auch mit Alkoholausschank. Dem muss man gerecht werden, aber mit Sinn und Verstand. 30 Sandwich- und 50 Kaffeestände nebeneinander bringen niemandem etwas.“ Da die Menschen immer öfter auf dem Markt verweilen wollten, hält der Marktsprecher es auch für sinnvoll, hier das städtische WLAN anzubieten. „Doch dieses einzurichten, kostet laut Stadtwerken anscheinend zu viel“, erklärt Stohr.

Für den Marktsprecher gibt es nur eine Lösung, um den Viktualienmarkt modern und attraktiv zu erhalten: „Die Leute von den Markthallen sind aufrichtig engagiert, aber sie sind eben keine Unternehmer. Sie müssen sich mit uns zusammensetzen. Die Händler sollten zum Beispiel über den IVG ein festes Beratungsorgan bei den Markthallen werden, an das man auch Entscheidungen delegieren kann.“
ISABEL WINKLBAUER

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