Akzeptiert Unerklärliches einfach: IQM-Deutschland-Manager Markus Bendele. © Andreas Daschner
Fast wie im Star-Trek-Maschinenraum: der Quantencomputer der Firma IQM in München. © Andreas Daschner
Visionär: Jan Goetz, Co-CEO and Co-Gründer der Firma IQM, in einem Quantencomputer. © IQM
Normales oder besonderes Licht? Diese Frage stellt Markus Bendele im Keller der Firma IQM, wo ein ganz besonderes Stück Technik steht: ein Quantenrechner. Unser Reporter wählt das besondere (blaue) Licht – und fühlt sich plötzlich wie im Maschinenraum des Raumschiffs Enterprise. Tatsächlich: Was ein Quantencomputer zu leisten imstande ist, hört sich wie Science-Fiction an.
Bendele ist IQM-Manager für Deutschland. Er und seine Mitarbeiter tauchen täglich in eine Welt ein, die für niemanden wirklich zu fassen ist. Die Welt der kleinsten Teilchen – die Quantenwelt – ist so geheimnisvoll, dass nicht einmal die führenden Wissenschaftler sie wirklich verstehen (siehe Kasten). Wie arbeitet man dann damit? „Man akzeptiert Dinge einfach“, sagt Bendele und lacht.
Tatsächlich müssen die Wissenschaftler bei IQM die Effekte der Quantenwelt auch nicht verstehen, um sie zu nutzen. Der sichtbare Beweis ist der Quantencomputer im Keller der Firma in Moosach. Gegründet wurde IQM von einem Team von Wissenschaftlern, zu dem auch Jan Goetz zählt. Er hat in München promoviert, hier auch Investoren für seine Vision des Quanten-Rechenzentrums gefunden – und den hypermodernen Computer deshalb in der bayerischen Landeshauptstadt entwickelt.
„Quantencomputer als Idee sind nicht neu“, sagt Goetz. Während aber lange Zeit nur wissenschaftlich geforscht wurde, wird nun die nächste Stufe gezündet: die kommerzielle Nutzung der leistungsstarken Rechner. Etwa 20 Firmen nutzen den Quantencomputer der Firma IQM – derzeit größtenteils noch, um mit ihren eigenen Quantenforschungsteams die Möglichkeiten auszuloten, Algorithmen zu testen und sich möglichst bald die schier grenzenlosen Möglichkeiten zunutze zu machen.
Der Quantenrechner ist eigentlich nur ein Computerchip. Die gesamte Anlage ist aber riesig. Genauer gesagt: ein riesiger Kühlschrank. Denn um sich die Quanteneffekte optimal nutzbar machen zu können, muss der Chip in einer Umgebungstemperatur nahe dem absoluten Nullpunkt arbeiten – das sind 0 Grad Kelvin oder -273,15 Grad Celsius! Diese Temperatur erzeugt die Anlage mittels flüssigen Heliums.
Dass die Menschen unter diesen Voraussetzungen einmal einen Quantenrechner auf dem Schreibtisch stehen haben, erscheint eher unwahrscheinlich. „Aber das ist ohnehin nicht mehr der Weg“, sagt Goetz. Schon jetzt, mit herkömmlichen Computern, geht die Nutzung in eine andere Richtung. Das Zauberwort heißt: Cloud.
„Wenn Sie zum Beispiel Google Maps nutzen, findet die Rechenleistung auch nicht auf Ihrem Rechner oder Ihrem Handy, sondern auf Servern irgendwo in der Welt statt“, erklärt der IQM-Co-Gründer. Das Ziel: Quantencomputer sollen einmal zu riesigen Rechenzentren zusammengeschlossen werden. Die Möglichkeiten wären enorm. Routenfindungen auf Google Maps erscheinen da unbedeutend. Besonders in der Pharmazie sieht Goetz ungeahnte Möglichkeiten. „Derzeit dauert die Entwicklung neuer Medikamente lang, weil die Moleküle zu komplex sind, um mit herkömmlichen Computern damit zu rechnen.“ Mit Quantencomputern wäre dies anders. Sogar die Erzeugung individuell auf einzelne Patienten abgestimmter Wirkstoffe rückt in den Bereich des Möglichen.
Auch wenn also wahrscheinlich in Zukunft niemand einen Quantenrechner auf dem Schreibtisch stehen haben wird, kann diese Technologie einmal das Leben aller Menschen beeinflussen. Goetz sagt: „Damit sind Quantenrechner auch eine Technologie für jedermann.“
ANDREAS DASCHNER