Die Menschheit entwickelt sich aktuell wieder rückwärts. Wie ich zu der Erkenntnis komme? Ich habe gerade ein paar Prospekte von bekannten Einrichtungshäusern durchgeblättert. Mein Mann und ich überlegen, ob wir uns eine neue Sitzlandschaft fürs Wohnzimmer zulegen. Und was sehe ich da? Schicke Couchen, Ottomanen und Liegen mit Cordstoff-Bezug! Den Gatten schüttelte es regelrecht, so kalt lief es ihm dabei den Rücken runter. Seine strikte Ansage: Cord kommt mir nicht ins Haus! Mein Mann leidet nämlich unter einer starken Cord-Neurose. Der Auslöser liegt in seiner Kinderzeit in den 70er-Jahren. Damals war der gerippte Stoff schon mal Mode. Sein Schwur: Sobald er selbst über den Kauf seiner Hosen bestimmen kann, wird dieses Material in seinem Kleiderschrank ausgerottet. Dass Cord nun gerade ein Comeback in der Mode und sogar bei Polsterungen feiert, findet er völlig abstrus. Lieber sitzt er auf dem Boden als auf einer Couch mit Cordbezug.
Ich vertrete ja die Idee, dass sich einfach alles irgendwann wiederholt. Weil den Menschen halt einfach nichts mehr einfällt. Da die Jüngeren das auch noch nicht kennen, ist es für sie etwas komplett Neues. Warum sich also den Stress mit noch nie da gewesenen Erfindungen und Einfällen machen. Hören Sie bloß mal Radio. Diese ganzen Song-Remakes, das ist nichts anderes. Ein ziemlich plumpes Rezept: Man nehme einen erfolgreichen Song, lege einen Beat drunter, füge noch ein paar Elemente an und fertig ist der neue Hit, den fast alle mitsingen können, obwohl sie ihn gerade eigentlich zum ersten Mal hören. Mich nervt das musikalische Recycling ungemein. Diese Werke sollten so was wie ein Handicap bekommen, wie man es vom Golfsport kennt. Je länger der Song einst in den Charts war, desto höher die Hürde, um heute auf die Playlisten zu gelangen. Dann schau‘n mer mal, wie lange das Revival tatsächlich anhält.
Eine andere Rückentwicklung haben gerade die Stadtratsgrünen vorgestellt: Sie wollen doch tatsächlich die Draisine wieder nach München holen. Zur Erinnerung: 1818 hat der badische Erfinder Karl von Drais sein von Menschenkraft betriebenes Fahrzeug ohne Pedale erfunden. Die Draisine gilt als der Vorgänger des heutigen Fahrrads. Über 200 Jahre später sollen nun die Pedalen in unserer Stadt wieder abgeschraubt werden. Die Begründung: Damit Menschen, die schlecht zu Fuß sind, weiterhin mobil bleiben können. Das Laufrad, wie wir es seit Jahren von Kleinkindern kennen, jetzt also als Senioren-Gehhilfe. Äh, das ist aber schon klar: Laufräder heißen so, weil man damit das Gestell im Sitzen mit den Füßen antreibt.
Das erinnert mich ein wenig daran, dass ich mir früher beim Wandern einen Stock quer unter den Po gehalten und behauptet habe, ich würde mich nun selbst den Berg rauftragen. Man kann sich ja alles einbilden… Andererseits: Ist es nicht eine geniale Recyclingidee für all die vergessenen Schrotträder an den Münchner S-Bahnhöfen?
Die Weiterdenke wäre dann das Steinzeit-Mobil aus der TV-Kultserie „Familie Feuerstein“. Da muss man dann zwar mächtig mit den Füßen scharren, um vom Fleck zu kommen, aber es ist auf jeden Fall klimaneutral und damit doch sicher was für die Grünen. Außerdem sparen wir uns so ganz viele E-Ladesäulen, also Ausgaben im Stadthaushalt. Yabba dabba doo!
redaktion@ovb.net