Zu alt für schnelles Internet?

von Redaktion

Münchner (89) kämpft um einen Glasfaser-Vertrag

Die Glasfaser-Baustelle vor dem Haus von Walter Kuhlmann im Stadtteil Fasangarten. © Achim Schmidt

Walter Kuhlmann streamt gerne Filme und nutzt Instagram. © Achim Schmidt

In der Straße von Walter Kuhlmann werden gerade Glasfaserleitungen verlegt – was den 89-jährigen Rentner aus Fasangarten freut. Der frühere Elektroniker ist seit letztem Jahr Witwer, verbringt viel Zeit am Laptop und Handy und weiß eine schnelle Verbindung zu schätzen. Doch als der Telekom-Vertreter bei ihm klingelt, ihn dann informiert und der Glasfaservertrag fertig auf dem Tisch liegt, bekommt der Senior eine kalte Dusche: „Oh. Wenn Sie über 85 sind, darf ich leider keinen Vertrag mit Ihnen abschließen“, sagt der Vertreter nach einem Alters-Check. Kuhlmann ist entsetzt: „Das ist eine Sauerei!“

Der Telekom-Mann habe sogar seinen Chef angerufen, erzählt Kuhlmann, um sich die Regel noch einmal bestätigen zu lassen. „Und tatsächlich, auch der Vorgesetzte meinte: kein Tarifwechsel für mich.“ Und das, obwohl Kuhlmann schon Telekom-Kunde ist. Er hat bisher aber eben nur langsames Internet mit 80 Mbit Download- und 40 Mbit Upload-Geschwindigkeit. Für seine Zwecke zu wenig, denn er hat einen Internet-Fernseher, sieht auf dem Tablet gerne Dokumentationen und nutzt auch die sozialen Medien, „vor allem Youtube und Instagram. Ich streame relativ viel.“ Der aktive Senior kann seine Empörung kaum verbergen. Er ist geistig topfit. „Ich singe im Shanty-Chor, spiele Keyboard, Geige und Akkordeon.“ Auch Ausflüge macht er gerne, ist neulich lange durch Nürnberg spaziert. Aber das Wichtigste: „Ich bin technikbegeistert. Ich weiß, was schnelles Internet ist.“ Zusätzliche Enttäuschung: Kuhlmanns Nachbarn in dem Haus, das seinen vier Kindern gehört, haben den Glasfaservertrag problemlos abgeschlossen.

Warum gibt es die Ü-85-Regel bei der Telekom? Unsere Zeitung fragt nach. Und bekommt zunächst eine Erklärung. „Oftmals wird Telefon-Anbietern vorgeworfen, ältere Menschen an der Haustür zu überrumpeln. Das macht die Telekom ausdrücklich nicht. Wir haben eine Ü-85-Regelung eingeführt, mit der wir sicherstellen, dass ältere Menschen nicht übervorteilt werden. Auch wenn man uns jetzt Altersdiskriminierung vorwirft, sagen wir klar: Im Direktvertrieb gestatten wir grundsätzlich keine Vermarktung an Ü-85-Interessenten. Dies gilt bei Neuverträgen wie auch bei Tarifwechseln.“ Dennoch bekomme Walter Kuhlmann natürlich einen Glasfaservertrag. „Er muss nur zum nächsten Telekom-Laden gehen oder unsere kostenlose Hotline anrufen. Dort kann er selbstverständlich einen Glasfaseranschluss beauftragen.“ Der Haustür-Vertreter und dessen Chef am Telefon hatten es verpasst, dies dem Senior zu erklären.

Als die tz die gute Nachricht übermittelt, herrscht Freude im Hause Kuhlmann. „Na wunderbar! Ich gehe noch diese Woche los, den Glasfaseranschluss beantragen“, jubelt der Rentner, „das muss einfach sein! Sie wissen ja, ich bin technikbegeistert.“
ISABEL WINKLBAUER

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