MÜNCHNER FREIHEIT

Der Berg ruft zum Rathaus

von Redaktion

Also jetzt darf ich auf den Christkindlmarkt doch tatsächlich keine Steigeisen und Eispickel mehr mitnehmen. Hat das Bayerische Innenministerium vergangene Woche ganz offizell verboten. Dabei wusste schon der alte Tacitus: Was verboten ist, hat seinen besonderen Reiz! Deshalb warte ich seit der Verkündung quasi stündlich auf die Meldung, dass die Polizei nun wirklich einen Menschen mit solch einer Hochgebirgsausrüstung hopsgenommen hat. Liebe Beamte, denken Sie dann an mich: Ich stehe bereits in den Startlöchern für ein Interview. Denn wer um Himmels willen nimmt Steigeisen und Eispickel mit auf einen Weihnachtsmarkt? Vor allem: Warum? Vielleicht gibt es dafür aber eine durchaus einfache Erklärung. Zum Beispiel, dass im Rahmen der laufenden Sportmesse in Riem schlichtweg die Erstbesteigung der Rathaus-Nordwand am Marienplatz geplant war. Selbstverständlich ohne Sauerstoffgerät. Mit dem Verbot hätte man jetzt also einem einzigartigen Event den frühen Garaus gemacht. So wird München nie einen entsprechenden Eintrag ins Rekord-Buch bekommen.

Es ist aber auch eine verpasste Chance für den Tourismus. Das hätte die Alternative zum Sprung vom Riesenrad – auch da frage ich mich ständig nach dem Warum – und zur Zeltdach-Tour im Olympiastadion werden können. Sich einmal die Rathaus-Fassade raufhangeln, mit kurzem Selfie-Zwischenstopp am FC Bayern-Balkon, das hätte doch was. Eine halbe Stunde Nervenkitzel für mindestens 50 Euro. Ist ja schließlich eine Expedition aufs Münchner Rathaus und nicht an irgend so einer schnöden Kletterwand eines Event-Anbieters. Schwierigkeitsgrad mindestens „Zehn minus“ – wegen der vielen Verzierungen und Elemente am Rathaus, die um- und überklettert werden müssen. Allein dieser Lindwurm am Eckturm bei der Weinstraße. Der wäre gewiss selbst für die Huber-Buam ein Alptraum. Insgesamt ist die Rathausroute steil, schmal und technisch anspruchsvoll – so wie die schwarzen Pisten beim Skifahren. Im Angebot daher auch eine mittelschwere rote Route, passenderweise am Büro der SPD- und Sportbürgermeisterin Verena Dietl vorbei.

Auf jeden Fall sollte man aus Sicherheitsgründen nur mit entsprechend qualifizierten Bergführern unterwegs sein – vor allem beim Eisklettern im Winter. Doch am Ende winkt als Belohnung ein wunderbarer Panoramablick auf die Silhouette der Stadt. Gegen Aufpreis wäre noch eine Autogrammstunde mit Dieter Reiter in der Todeszone – also am Fenster des OB-Büros – möglich. Genießer können zudem eine anschließende Verköstigung an den Glühwein- und Bratwurstbuden des Christkindlmarkts buchen.

Andererseits: Wenn jetzt alle mit Steigeisen und Eispickel die Rathaus-Fassade erklimmen wollen, dann schaffen wir eventuell noch ein Ausrüstungsmanko in den Alpen. Da brauchen wir uns dann wahrlich nicht zu wundern, wenn wieder die Meldungen über die Touris mit den Sandalen an der Zugspitze kommen. Mit der Rathaus-Kraxltour forcieren wir ja solche Birkenstock-Bergsteiger geradezu. Insofern wären Steigeisen und Eispickel am Marienplatz also nicht nur eine Gefahr für die Sicherheit auf dem Christkindlmarkt. Die neue Verordnung sorgt auch für mehr alpinen Schutz. Und für eine Entlastung der Bergwacht. Für die ist in Bayern das Innenministerium zuständig. So schließt sich am Ende der Kreis. Die Regel macht also mehr Sinn als auf den ersten Blick ersichtlich. Ich bin begeistert von so viel Weitsicht!

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