Kommen die Kabel-Sheriffs?

von Redaktion

Nach der Fernseh-Revolution: 3,5 Millionen Schwarzseher

Ein gemütlicher Fernsehabend kann unter Umständen illegal sein. Nämlich dann, wenn der Kabel-Vertrag gekündigt ist, man das Signal aber trotzdem noch nutzt. © ddp

Erst einmal hat die neue Wahlfreiheit in Sachen Fernsehempfang Jubelstürme ausgelöst. Denn seit 1. Juli 2024 dürfen die Vermieter nicht mehr automatisch den Kabelanschluss über die Nebenkosten abrechnen (wir berichteten). Der Mieter darf also seinen TV-Anbieter selbst wählen. Doch die neue Freiheit hat Schattenseiten: Millionen von Haushalten schauen jetzt illegal Fernsehen. Das alte Signal läuft nämlich noch immer in viele Haushalte – obwohl die gar keinen gültigen Vertrag mehr haben, nachdem der Vermieter beim Netzbetreiber gekündigt hat. Dagegen gehen die Anbieter jetzt vor.

Nach Schätzungen der Medien-Website DWDL nutzen rund 3,5 Millionen Haushalte ihre Kabelanschlüsse derzeit illegal. Ob man das alte Signal noch empfangen kann, ist oft abhängig vom Typ des Hauses, sagt Thorsten Neuhetzki vom Fachportal Inside-Digital. „Bei modernen Häusern mit sogenannter Stern-Struktur besteht zwischen Wohnung und Hausübergabepunkt des Netzbetreibers eine eigene Leitung. Diese könnte der Netzbetreiber abklemmen. Sofern man Internet über Kabel nutzt, ist das nicht möglich. Hier könnten Techniker bestenfalls einen Frequenzfilter einbauen. Beides ist mit Technikereinsatz verbunden, der Geld kostet.“

Schwieriger ist es bei älteren Häusern mit Baum-Verkabelung. „Hier geht eine Steigleitung vom Keller das Treppenhaus hinauf und verzweigt sich in die Wohnungen. Sprich: Alle Wohnungen werden mit demselben Signal versorgt. Für Kabelnetzbetreiber ist es nach aktuellem Stand der Technik unmöglich, einzelne Kunden nicht mehr mit TV-Signalen zu versorgen. Einziger Ausweg wäre, Sperren auf die Kabeldosen in den Wohnungen zu montieren. Dazu müsste der Netzbetreiber Zugang zu den Wohnungen haben.“

Die Versorger arbeiten daran, illegales TV-Schauen nach und nach zu unterbinden, auch wenn es für sie mühsam ist. Laut Neuhetzki klemmen Techniker das Signal oft ab, wenn sie eh wegen regulärer Arbeiten (Instandhaltung, Schaltung neuer Leitungen) in einem Haus sind und dabei kontrollieren, welche Anschlüsse noch aktiv sind. „Deaktivierungen führen wir bereits seit Mitte 2024 durch“, bestätigt ein Sprecher von Pÿur, einer Marke des Kabelnetzbetreibers Tele Columbus. Auch der Marktriese Vodafone sperrt „im Rahmen des Regelbetriebs zielgerichtet“ Kabelanschlüsse.

Muss man einen Techniker für so einen Schritt unangekündigt in die Wohnung lassen? „Nein“, sagt Christian Ayri von der Verbraucherzentrale: „Kabelanbieter haben kein generelles Zutrittsrecht!“ Wenn der Techniker in die Wohnung müsse, um den Anschluss zu verplomben, sei es zwar „zumutbar“, ihn zumindest für einen einmaligen Termin in die Wohnung zu lassen. Aber eben nur mit Voranmeldung!

Allerdings: Für Anbieter dürfte es in der Regel attraktiver sein, gar nicht erst abzuklemmen, sondern bestehende Haushalte nachträglich als Direktkunden zu gewinnen. „Die Maßnahmen zur Kundenrückgewinnung laufen noch bis in das erste Quartal 2025 hinein“, heißt es von Pÿur. Bei Vodafone heißt es: „Grundsätzlich sind wir auf Kurs, unser gestecktes Ziel zu erreichen. Nämlich die Hälfte der betroffenen Kunden für Vodafone zu gewinnen – im September haben wir circa vier Millionen Kunden bereits für uns gewonnen“, so ein Sprecher.

Übrigens: Wer absichtlich illegal schaut, macht sich laut Ayri eventuell strafbar. Theoretisch könnten Schadensersatzforderungen drohen, in der Praxis sind bisher aber keine solchen Fälle bekannt.
DANIELA POHL, M. BIEBER

Artikel 2 von 3