Der letzte Weihnachtseinkauf führt einen Altmünchner, der sich mit Fug und Recht so nennen darf, natürlich über den Viktualienmarkt. Wo das Millionendorf immer noch am dörflichsten ist. Und vor Weihnachten am vorweihnachtlichsten. Und nach Jahrzehnten an der Sendlinger Straße und vor allem am Marienplatz am vertrautesten. Und wo sonst könnte man, wenn einen gerade danach gelüstet, Wildsauwürste erwerben?
Also ging ich zum Stand 17, wo der Himmel voller Würste unterschiedlichster Art hängt. Der Betreiber bediente mich aber nicht im gebotenen vorweihnachtlichen Tempo, sondern musterte mich mit geübtem Kontrollblick. „Erkennen Sie mich nicht?“, wollte er wissen. Ehrlich gesagt nicht, aber irgendwie kam er mir sogar vertraut vor. Mit Wildsäuen hatte er damals aber sicher nichts zu tun, eher mit Nilpferden, Narrhalla-Tänzern und ganz armen Würstchen. Richtig: Das war doch der Kontaktbeamte der Polizeiinspektion 11! Zuständig für die Zentrale Innenstadt rund um den Marienplatz und den Viktualienmarkt bis zur Schrannenhalle und der Isar.
Was hatte er da alles miterlebt, vom Narrhalla-Einzug über den Tanz der Marktweiber bis zum Geldbeutelwaschen am Fischbrunnen, von meinem Auftritt mit einem Nilpferd auf dem Marienplatz bis zu unzähligen Demonstrationen jedes Jahr bis zur Eröffnung des Christkindlmarktes mit dem anschließenden Rundgang. An Silvester 1999 sogar ein Jahrtausend-Feuerwerk. Stets bereit, auch beim größten Unfug für Ruhe und Ordnung zu sorgen.
Erst als ich einige Tage im Ruhestand und mit dem Fahrrad zum Festgottesdienst im Dom erschienen war, erlaubte er sich einen bösen Scherz mit mir. Er kreuzte am Drahtesel mit einem Kollegen von der PI 11 auf und fragte forsch, ob mein Bremslicht funktioniert. Natürlich log ich sofort los, dass es vor dem Gottesdienst noch funktioniert habe. Ich wusste ja nicht, dass Fahrradbremsen gar kein Licht haben. Da amüsierten sich die beiden Beamten, dass sie wenigstens einmal in der Altstadt größeren Unfug als ich angerichtet hatten.
Das alles erzählte er mir in seinem „Räucherkistl“, das er seit der Pensionierung 2017 betreibt, seit 2022 mit seiner Frau, die er – natürlich in der PI 11 – als Politesse kennengelernt hatte. Seitdem hängt an diesem Würstl-Stand das Firmen-Schild von Gudrun und Erwin Noll. Und ich konnte ihm endlich erzählen, dass die Behauptung vom funktionierenden Bremslicht natürlich nur ein Scherz meinerseits war. Wo doch jedes Kind weiß, dass es beim Fahrrad keine Bremslichter gibt!