Die Beute der Amazon-Abzocker

von Redaktion

Bayerische Internet-Ermittler sprengen Bande bei Razzien in Rumänien, Deutschland und Österreich

Ein Teppich aus Bargeld: Diese 50-Euro-Scheine fanden Ermittler bei einer Razzia. © Generalstaatsanwaltschaft/Polizei

Dieser Bargeld-Teppich ist 70 000 Euro wert: 1400 Fünfzig-Euro-Scheine – fein säuberlich auf dem Boden aufgereiht. Bayerische Ermittler haben eine Amazon-Abzocker-Bande gesprengt. Und Bargeld einkassiert.

Die Betrüger wurden kurz vor Weihnachten festgenommen – bei Razzien in Rumänien, Österreich und Deutschland. Laut Ermittlern gehen Schäden in Millionenhöhe auf ihr Konto. Viele Opfer sind aus Bayern.

Ihre fiese Masche: Sie kaperten Internet-Shops beim Online-Riesen Amazon. Dort können kleine Unternehmen recht einfach eigene Läden aufmachen und alles Mögliche verkaufen – gegen eine Gebühr.

Laut Oberstaatsanwältin Christine Schäl von der „Zentralstelle Cybercrime Bayern“ (ZCB) in Bamberg übernahm die Bande mithilfe von Phishing-E-Mails mindestens 120 solcher Amazon-Händler-Konten – sicherte sich also Zugangsdaten und E-Mail-Adressen. Schäl: „Alle betroffenen Shops sind aus Deutschland, wir gehen aber davon aus, dass weitere in ganz Europa betroffen sind.“ Laut Kriminalhauptkommissar Cedric Watzl vom Nürnberger Kriminalfachdezernat 5 (Cybercrime) haben „mindestens fünf dieser Händler ihren Sitz in München“.

Die Händler verkauften verschiedenste Dinge über Amazon: Netzwerkstecker, Schmuck oder 3D-Druck-Erzeugnisse. Nach der Übernahme boten die Abzocker plötzlich Fahrradanhänger und Dachträger fürs Auto, Fernseher, Playstations oder Kreissägen an – immer zu einem sensationell günstigen Preis. „Die Rabatte betrugen 45 bis 75 Prozent“, sagt Watzl. „Einige Kunden bestellten teilweise zehn Stück auf einmal, weil sie dachten, sie machen das Geschäft ihres Lebens.“

Von November 2022 bis Ende Oktober 2024 bestellten die Kunden Waren im Wert von rund 110 Millionen bei den gekaperten Shops. Die Waren bekamen sie nie. Die Betrüger verlangten erst Vorkasse – auf meist spanische Konten. Laut Oberstaatsanwältin Christine Schäl überwiesen mindestens 381 Opfer rund 192 000 Euro – zehn von ihnen stammen aus München. Die Bande bot laut ZCB nebenbei auch Wohnungen im Internet an, die es gar nicht gab. Sie verlangte vorab die Kaution, zockte so 17 000 Euro ab.

Mit dem ergaunerten Geld führten die sieben verdächtigen Rumänen (22 bis 38 Jahre) ein gutes Leben: „Sie wohnten deutlich über dem rumänischen Standard“, sagt Polizist Watzl – „in schönen, gepflegten Einfamilienhäusern, mit Mittelklassewagen in der Garage“.

Am 17. Dezember 2024 hatte dieses schöne Leben ein Ende: Ermittler aus Bayern und Rumänien schlugen zeitgleich in Bukarest, Ramnicu Valcea und Dragasani zu. Die rumänischen Behörden hatten 150 Polizisten abgestellt, darunter mehrere Spezialeinheiten. Um 7 Uhr rumänischer Zeit stürmten diese Einheiten die Wohnungen der Verdächtigen dort. Zeitgleich griffen Beamte auch in Regensburg und Tirol zu. Fünf der sieben Verdächtigen sitzen jetzt in Untersuchungshaft. Das Aus für die Amazon-Abzocker!

Laut Christine Schäl arbeiteten die rumänischen Ermittler sehr professionell: „Die Spezialeinheiten wussten bis zum Schluss nicht, wo der Einsatz laufen wird. So wurde die Geheimhaltung sichergestellt.“ Auch danach sei die Zusammenarbeit extrem gut gewesen: Bayerische Forensiker durften beschlagnahmte Handys und Laptops sofort untersuchen und weitere Beweise sichern. Schäl: „Ohne ihre Hilfe hätten wir das niemals geschafft.“

Nach den Razzien gingen die Betrügereien über die Amazon-Händler deutlich zurück – aber nicht ganz. Ermittler Cedric Watzl ist sicher, dass noch weitere Täter aktiv sind. Immerhin: „Den harten Kern der Gruppe haben wir aber gefasst.“
THOMAS GAUTIER

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