MÜNCHNER FREIHEIT

Wenn Heinzi die Welt erklärt

von Redaktion

Mein Verhältnis zu Künstlicher Intelligenz, kurz KI, ist seit jeher kompliziert. Einerseits ist es ein faszinierendes Thema. Und wenn ich wieder einmal über Gebühr mit natürlicher Dummheit konfrontiert wurde, und sei es mit meiner eigenen, dann mag der Gedanke, dass zumindest die Technik etwas Gescheites hervorbringen kann, sogar tröstlich sein.

Andererseits meldet sich dann immer mein natürliches Misstrauen: „Wer entscheidet, was gescheit ist?“, flüstert es mir ins Ohr. Und schon wächst der Zweifel: Ist KI wirklich intelligent, oder tut sie nur so? Vielleicht ist sie ja so ein Dampfplauderer wie mein alter Spezl Heinz. Egal, worum es geht: Der Heinzi kennt sich aus und kann alles genau erklären. Viele, die ihn nicht näher kennen, hat er damit schon schwer beeindruckt. Die halten ihn für einen der letzten Universalgelehrten. Wir anderen haben längst hinter die Fassade unseres Gscheidhaferl-Heinzi geschaut und erkannt: Was er da zum Besten gibt, ist eine Mischung aus Zeitungswissen, flinker Rhetorik, Geltungsdrang und kindlicher Lust am Fabulieren. Will heißen: Was der Heinzi sagt, klingt immer einleuchtend, ist meist unterhaltsam, stimmt aber selten.

Ich war drauf und dran, KI als Software-Version unseres Gscheidhaferl-Heinzi abzuhaken. Doch eine TV-Werbung für Googles neue KI Gemini hat mich ins Grübeln gebracht. Ein Mann liegt da unter seinem Auto und fragt sein Handy respektive die darin waltende allwissende Gemini, wie er die Unterbodenverkleidung des Fahrzeugs abbekommt. Geminis Antwort: „Du brauchst dazu einen Schraubenschlüssel oder eine Nuss, die genau passt.“

Geht’s noch? Und wenn ich frage, wie ich einen Kuchen backe, bekomme ich dann zur Antwort: „Du brauchst dazu einen Ofen oder ein anderes Gerät, mit dem man backen kann?“

Ja, wenn Gemini dem verhinderten Monteur die passende Schlüsselweite verraten hätte, wäre ich in Ehrfurcht erstarrt. Aber so? Das ist entweder die neue, heinzigartige Niederschwelligkeit oder, mit Verlaub, saudämlich. Wer diese Antwort nötig hat, sollte tunlichst die Finger von seinem Auto lassen.Am besten auch vom Lenkrad. Und dann noch der Name! Eine solche Software als „Intelligenz“ zu bezeichnen und sie nach dem Raumfahrtprogramm zu benennen, das einst die Grundlagen für die Mondlandung schuf, ist dreist.

Prompt rief mich mein natürliches Misstrauen zur Ordnung: „Wer sagt denn, dass Gemini das nicht ironisch gemeint hat?“

Jetzt bin ich verunsichert: Sollte KI inzwischen so gescheit geworden sein, dass sie Ironie und Sarkasmus beherrscht, die hohe Schule der Kommunikation? Sie wäre dann zumindest schlauer als Heinzi, der unsere spöttischen Komplimente zu seinen Ergüssen („sowas weiß außer dem Heinzi kein Mensch auf der ganzen Welt“) immer ganz stolz für bare Münze nimmt.

Um das herauszukriegen, werde ich Gemini wohl öfter einmal probehalber um Rat fragen. Am besten, wenn irgendwo eine Schraube locker ist.

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