Götz Brodermann, Chef der München Klinik. © MUC Klinik
Viktoria Bogner-Flatz, Notaufnahme-Chefärztin. © Gigler
Viele Eltern kennen das Dilemma – gerade während der Erkältungszeit: Ihr Kind wird krank, das Fieber steigt und steigt, aber die Kinderarztpraxis hat geschlossen. Also ab in die Notaufnahme der nächsten Klinik. Doch dort steht längst nicht immer ein Kinderarzt zur Verfügung, der beispielsweise auf die Behandlung des Atemwegsinfekts RSV bei ganz kleinen Zwergerln oder auf starke krampfartige Bauchschmerzen (Koliken) spezialisiert ist.
Genau dieses Problem soll ein neues Pilotprojekt für Telemedizin lösen. Es sieht vor, dass bei Untersuchungen in der Kreisklinik Ebersberg rund um die Uhr Kinderärzte der München Klinik Schwabing live zugeschaltet werden können. Die Zusammenarbeit der beiden Krankenhäuser könnte als Blaupause für die gesamte Region dienen und möglicherweise sogar bundesweit Schule machen, hoffen die Initiatoren um Chefärztin Professor Viktoria Bogner-Flatz.
„Wenn ein Kind schwer krank oder verletzt ist, lassen wir sie weiterhin mit dem Rettungswagen oder per Hubschrauber in eine spezialisierte Klinik verlegen. Aber den vielen anderen kleinen Patienten, die nicht auf die Intensivstation müssen, können wir künftig noch effektiver helfen“, erklärt Bogner-Flatz, erfahrene Notärztin und Leiterin der Ebersberger Notaufnahme. Ihr Team versorgte allein im vergangenen Jahr 30 000 Patienten, darunter 3000 unter 18 Jahren. Die dreifache Mama und frühere Corona-Krisenmanagerin des Münchner Rettungsdienstes nutzte ihre Kontakte, um ein innovatives Telemedizin-Netzwerk speziell für Kinder zu knüpfen.
Mit ihrer Idee rannte Bogner-Flatz bei der München Klinik offene Türen ein. Schließlich hat die städtische Krankenhausgesellschaft in Schwabing 2024 eine der modernsten Kinderkliniken Europas eröffnet, dort bis jetzt bereits knapp 150 Millionen Euro verbuddelt, und es wird immer noch fleißig weiter gebaut. Außerdem weiß die München Klinik, wie Telemedizin funktioniert. Sie arbeitet schon seit Jahren erfolgreich mit mehreren Umland-Kliniken zusammen, wenn es um die Versorgung von Schlaganfallpatienten geht. Das Projekt mit dem Namen Tempis wird von Medizinlogistikern immer wieder als vorbildlich gefeiert. „Wir verfügen über die nötige Expertise und Erfahrung. In der Schlaganfallversorgung funktioniert das Modell bereits vorbildlich“, sagt München-Klink-Chef Dr. Götz Brodermann stolz.
Jetzt sollen also auch die Kinder vom Netzwerkgedanken der modernen Medizin profitieren – bald vielleicht sogar in ganz Bayern, auch wenn der Projektname vielen englischen Eltern wahrscheinlich leichter von den Lippen geht: „TelEmergency Kids“ soll gleich eine ganze Reihe von Vorteilen bringen. „Durch diesen innovativen Ansatz können unnötige Fahrtstrecken und Verlegungen vermieden, Wartezeiten reduziert, Eltern und Kindern viel Stress erspart und die Notaufnahmen entlastet werden. Durch digitale Konsile mit pädiatrischen Fachärzten wird eine schnelle, sichere und wohnortnahe Behandlung ermöglicht. Auch das Personal beider Notaufnahmen profitiert von der direkten Einschätzung vor Ort“, erklären die beiden neuen Partner-Kliniken.
Bei den Telekonsilen – so nennt man die Videokonferenzen auf Medizinerdeutsch – können die Ärzte dank spezieller Software auf eine Fülle von Untersuchungsdaten zurückgreifen, beispielsweise auch Röntgen- oder Computertomographie-Bilder (CT) gemeinsam analysieren.
ANDREAS BEEZ