MÜNCHNER FREIHEIT

Schussfahrt nach Florida

von Redaktion

„Was ist denn hier los?“ – „Der Herr isst eine Kalbshaxe.“ – „Ach!?“ Der Dialog aus dem genialen Sketch, in dem Loriot, von Schaulustigen umringt, mit sichtlichem Unbehagen an seiner „Kalbshaxe Florida“ mümmelt, ist fast 50 Jahre alt. Das Vier-Minuten-Meisterwerk ist dennoch bis heute aktuell, denn es zeigt: Nichts ist banal, man muss es nur sensationell verkaufen.Was bei Loriot in einer wachsenden Zuschauerschar und dem Satz gipfelt „Nun lassen Sie das Kind doch mal nach vorne!“, geht heute einfacher: Man schreibt einfach „Rekord“ davor. Dass ausgerechnet eine irische Brauerei ein Buch pflegt, in dem die Resultate solcher Rekord-Kompositionen verewigt werden, ist wohl kein Zufall. Vieles von dem, was da drinsteht, fällt niemandem ein, der halbwegs nüchtern ist.

Nun also ist das Buch um einen Eintrag reicher. Wie dieser Tage in der Zeitung stand, war ein Extremsportler beim Skifahren. Aber nicht einfach so. Vielmehr hat er 80 Skilifte an einem Tag bezwungen. Ich stelle mir das als Loriot-Sketch vor: Ein Mann springt schwitzend und schnaufend aus dem Sessellift und rast in Schussfahrt die Piste hinab. Schnitt. Zwei Augenzeugen in Großaufnahme: „Ist der auf der Flucht?“ – „Nein, auf Rekordjagd.“ – „Ach!?“

Ohne die sportliche Leistung des Rekordjägers geringschätzen zu wollen: Mit Skifahren hat das wenig zu tun. Mehr schon mit Logistik und unlauteren Abkürzungen: Schwer vorstellbar, dass sich der rasende Liftboy vor dem Einsteigen in eine Warteschlange einreihen musste.

Egal: Der Rekord steht und wird weitere nach sich ziehen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann ein flotter Münchner Taxler es schafft, 80 Blitzer in weniger als zwei Stunden auszulösen. Das Deputats-Guinness, das dem Vernehmen nach mit dem Eintrag ins Buch der Bücher verbunden ist, darf er danach bedenkenlos trinken – der Lappen ist eh weg. Weniger folgenreich wäre der Ansatz einer Kellnerin oder Warenhausverkäuferin, 80 hilfesuchende Kunden in 30 Minuten souverän zu ignorieren. Und bestimmt trainiert bei der Münchner Müllabfuhr schon ein Team für die Aufgabe, 80 Tonnen in 15 Minuten zu leeren. Dann wird die Welt erfahren, dass AWM nicht für Abfallwirtschaftsbetrieb München steht, sondern für „Alles wird möglich!“

Doch Vorsicht: ganz beliebig sollte man sein Rekordziel nicht wählen. Der Polizist, der ins Guinness-Buch Einzug halten will, indem er an einem Frühlingstag an einer beliebigen Münchner Kreuzung 80 Falschradler an einem Vormittag aufschreibt, muss mit Ärger aus dem Präsidium rechnen. Man wird ihn fragen, warum er die anderen 200 ungeschoren hat davonkommen lassen.

Dazu sollte man immer bedenken: Mit dem Rekord kommt die Angst. Wie lange wird es dauern, bis ein anderer 81 Lifte, Blitzampeln oder Radler in der gleichen Zeit schafft? Kein Rekord, und sei er noch so absurd, ist für die Ewigkeit gemacht. Wie tröstlich, dass uns jeder einzelne eine Konstante vor Augen führt: Loriot lebt.

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