Elena hat schon eine Bekanntschaft gemacht und freut sich aufs Treffen. © Markus Götzfried
Das Buch hängt unscheinbar an einem Baum nahe der Weideninsel. © Oliver Bodmer
Elena hatte die Nase voll vom Online-Dating. „Die Chats waren oft oberflächlich“, sagt die Münchnerin. „Das hat keinen Spaß mehr gemacht.“ Sie ist derzeit Single, will einfach mal wieder jemanden so kennenlernen. Und als sie vor Kurzem mit ihrem Hund Luna an der Isar Gassi geht, entdeckt sie zufällig an einem einsamen Baum eine analoge Kontaktbörse. Ein braunes Heft mit ganz vielen Herzchen. Isar Tinder, steht auf dem Cover. Elena trägt sich gleich ein: „Hi, ich bin Elena, 28, mit einem kleinen Leinenrambo (Dackel)“, schreibt sie. Sie suche einen Mann mit viel Humor, der sich nicht zu ernst nimmt und bei jedem Schabernack am Start ist. „Die Idee fand ich klasse.“
Dieses leicht zerfledderte Büchlein, das neben der steinernen Treppe gegenüber der Weideninsel nahe der Wittelsbacherbrücke hängt, kommt gut an. Die Macherin, die sich Anna nennt, bleibt anonym. Ihr Instagram-Konto ist nicht mehr erreichbar. Auf der ersten Seite meldet sich Anna zu Wort: „An alle Spaziergänger, Vorbeigehenden, Verweilenden, Liebenden, Einsamen, alle, die das hier lesen“, heißt es. „Isar Tinder ist eine Plattform an der Isar, für alle, die sich kennenlernen wollen.“ Wer Interesse habe, soll einen Text mit Kontakt ins Buch schreiben. Anna betont: Hier sei kein Platz für Hass, Rassismus, Sexismus und Homophobie. Inzwischen ist das Heftchen, das wettergeschützt in einem Plastikumschlag steckt, fast voll geschrieben. Von vielen einsamen Herzen. Die ganz Unterschiedliches wollen.
Eine ganze Seite hat Juri, 29, eingeklebt: „Ich bin neu in der Stadt, habe Lust zu daten, aber mag kein Online-Dating“, schreibt er. „Deshalb habe ich mich heute beim Spazierengehen sehr über das Isar Tinder gefreut.“ Er suche was Lockeres. „Gender egal.“ Die Liebe fürs Leben hingegen sucht Olivia: „Humorvolle, ehrliche, fröhliche Lebenspartnerin (32) ist jetzt bereit zu heiraten.“ Genaue Vorstellungen hat ein „Italiener mit Putzfimmel.“ Er will eine „blonde Frau, die kochen kann“.
Einen Kussmund mit Lippenstift abgedrückt hat Kristin, die sich als „unkompliziert und pflegeleicht, bei 30 Grad waschbar“ bezeichnet, und einen entspannten Mann kennenlernen will, der mindestens 1,75 Meter groß ist. Eine tolle Zeichnung von Brücke samt Isar hat Fabian hinterlassen. Er sei „an interessanten Begegnungen interessiert“. Alles andere ergebe sich dann schon. Manche suchen einen neuen Mitbewohner oder jemanden zum Spazierengehen. Die Leute stammen auch aus England, Italien, Ungarn, Spanien.
Doch klappt die Partnersuche mit Isar Tinder? „Traumfrau mit süßen Mützen sucht Traummann zum gemeinsamen Lächeln und Wein trinken vor dem Kamin“, hatte eine 27-Jährige geschrieben. Bislang ist der Traummann nicht aufgetaucht. „Aber ich finde die Idee wirklich sehr goldig“, sagt sie gegenüber unserer Zeitung. Etwas mehr vom Isar Tinder hätte sich Martin erwartet: Er hatte das Buch beim Eisbaden entdeckt Der 48-Jährige sucht „eine nette Begleitung, um Pizza zu essen oder Kaffee zu trinken oder spazieren zu gehen“. Aber: „Leider hat sich keiner gemeldet.“ Isar Tinder findet Martin trotzdem spitze.
Mehr Glück hatte Elena: „Bei mir hat sich jetzt ein Mann gemeldet“, erzählt sie. Er schrieb ihr, dass Schabernack sein Lieblingshobby sei. „Die Mail klingt sehr freundlich“, sagt sie. „Er hat sich viel Mühe gegeben.“ Sie will mit ihm bald ein Treffen vereinbaren, vielleicht einen Spaziergang an der Isar machen. Mehr Infos über den geheimnisvollen Mann oder gar Fotos, so wie es bei Flirts im Internet üblich ist, möchte sie vorab gar nicht. „Es ist wie ein Blind Date“, schwärmt sie. Aufregend und mit offenem Ende.
MARLENE KADACH