MÜNCHNER FREIHEIT

Weltstadt, hol’s Herz raus

von Redaktion

Zur großen Freude des S-Bahn-Fahrens in München gehören für mich die englischsprachigen Durchsagen. Da zeigt sich der ganze Anspruch der „Weltstadt mit Herz“: Wir weisen sogar nicht vorhandene Amerikaner auf dem Weg nach Petershausen darauf hin, dass beim Bahnhof Vierkirchen-Esterhofen Ausstieg an der „right hand side“ ist. Liebe Vierkirchener und Esterhofener, war lang nicht mehr bei Euch. Oder ist es bei Euch „left hand side“? Dann bitte Bescheid sagen.

Die Durchsagen sind völlig ironiefrei, als Weltstadt hat man einen Ruf zu verlieren. Besonders amüsant ist es, wenn auch noch sehr komplizierte Anweisungen mit banalen S-Bahn-Halten auf Englisch durchgesagt werden. Zum Beispiel passiert das auf der Fahrt zum Bahnhof Laim, wo es heißt: „…due to construction work there is no barrier free access…“. Und dann werden also fleißig Busverbindungen genannt, wie man doch barrierefrei zum Bahnhof Laim gelangen kann, alles in schönstem Englisch. Ich höre das täglich zwei Mal, doch ich warte bis heute auf den Amerikaner, der aufspringt und ruft: „Oh, folks, hört mal her, es gibt keinen barrierefreien Zugang am Bahnhof Laim, aber das ist kein Problem, weill sie haben es gerade durchgesagt: Wir brauchen ja einfach nur mit dem 187er-Bus nach Ampermoching fahren und dort umsteigen in die S4 nach Hinterdupfing, und dann können wir dort dann zurückfahren nach Laim!“. Jedem Amerikaner, den sie einmal nach so einer Durchsage hektisch aufspringen sehen und mit einem „Thank you MVG!“ umsteigen sehen, geben Sie bitte die unten angegebene E-Mail-Adresse. Ich lade alle, die so zusammenkommen, zu einem Biergartenbesuch im Sommer ein. Und freue mich auf eine bunte Mischung irgendwelcher Menschen.

Womit wir beim zweiten Anspruch Münchens wären, Weltstadt mit Herz. Bei der Siko haben wir wieder Weltstadt gezeigt, das mit dem Herz, da können wir noch besser werden. Wenig ist in diesen Zeiten so sehr gefordert, gerade nach der Terror-Fahrt: zueinander, miteinander, täglich und konkret, bei sich anfangen. Weniger aggressiv sein, mehr aufeinander zugehen. Und wenn’s einmal weniger Hupen im Straßenverkehr ist, einmal freiwillig für den Nachbarn Schneeräumen oder entspannt sein, wenn man mit Leuten redet, die nicht der gleichen Meinung sind beim Blick auf die Welt und ihre Probleme. Klar, wenn das Gegenüber behauptet, dass die Erde eine Scheibe ist, dann wird eine Diskussion schwierig. Aber im Moment kommt es mir so vor, als stempeln wir schon weit vor diesem Punkt einander ab, wer „so“ oder „so“ denkt.

Man muss bei sich selbst anfangen. In dem Abreißkalender mit Songtexten, den ich zu Weihnachten bekam, stand am Samstag die Textzeile: I’m starting with the man in the mirror. Frei übersetzt: „Wenn ich die Welt über verändern will, dann fange ich an mit dem Typen im Spiegel.“ Klassiker von Michael Jackson von 1988. Gern geschehen:Aus dem Ohrwurm gibt es keinen Ausstieg: nicht auf der left hand side, nicht auf der right hand side.