Lydia Dietrich muss mit großen Summen jonglieren. Sie ist Geschäftsführerin der Frauenhilfe München und leitet das größte Frauenhaus Bayerns. 45 Plätze stehen Frauen und Kindern in Not dort zur Verfügung. Der Freistaat und die Stadt unterstützen die Einrichtung mit Fördergeldern. Bisher konnte Dietrich mit jährlich 515 000 Euro vom Staat planen. Doch diese Mittel hat die Staatsregierung nun völlig überraschend gekürzt – und das rückwirkend.
Dietrich musste Ende vergangenen Jahres erstmals einen Gesamtfinanzierungsplan aufstellen, in dem sie alle Kosten und Einnahmen auflisten sollte. Zusätzlich zu ihrem jährlichen Förderantrag, wie sie berichtet. Fünf Wochen später kam die Antwort der zuständigen Regierung von Mittelfranken. Der Staat will für 2024 nicht die zu Jahresbeginn angekündigten 515 000 Euro zahlen, sondern 140 000 Euro weniger. Das Geld wird meistens in drei Teilsummen überwiesen. Den letzten Teil der Gesamtsumme hat Dietrich nicht mehr bekommen. Begründet wurde ihr das mit den Spenden, die das Frauenhaus erhält. Sie versteht die Welt nicht mehr. „Die Spenden kommen komplett den Bewohnerinnen und ihren Kindern zugute“, erklärt sie. Damit werden Spielsachen und Kleidung gekauft, kleine Ausflüge bezahlt oder Präventionsprojekte finanziert. „Wir mussten von diesen Spenden noch nie laufende Kosten bezahlen. Das wäre eine Zweckentfremdung der Spenden und ist völlig inakzeptabel.“
Sie hat sofort das Sozialministerium und die Regierung angeschrieben und um eine Erklärung gebeten. Eine Antwort hat sie nicht bekommen. Also wandte sich die Frauenhaus-Leiterin an die Stadt, die ohnehin schon rund 75 Prozent der Fördergelder für die Frauenhäuser übernimmt. „Auch dort war die Irritation über die Entscheidung des Freistaats groß“, berichtet sie. Allerdings habe man ihr zugesichert, dass das Frauenhaus nicht hängengelassen werde. Zumindest einen Teil der weggebrochenen 140 000 Euro wird sie von der Stadt München bekommen. „Diese Hilfe können aber nicht alle Kommunen leisten“, betont Dietrich. Sie geht davon aus, dass die Sparmaßnahme alle Frauenhäuser in Bayern treffen wird. Deshalb bat sie die Grünen-Landtagsabgeordnete Claudia Köhler um Hilfe.
Die Landtags-Grünen haben einen Haushaltsantrag zu den Beratungen für den Haushalt 2025 eingereicht, der die 140 000 Euro wieder ausgleichen soll. Es würden die gültigen Förderrichtlinien ausgehebelt, argumentiert die Fraktion. Die Sparmaßnahme schränke die Arbeit des Frauenhauses trotz steigenden Bedarfs und steigender Kosten deutlich ein. „Auf dem Rücken von Frauen in Not sparen – damit lassen wir den Ministerpräsidenten sicher nicht durchkommen“, kündigt Köhler an. Das Ministerium habe bereits eine Änderung der Richtlinie angekündigt, Köhler geht davon aus, dass die Kürzung spätestens dann alle Frauenhäuser in Bayern treffen wird. Die Träger hätten keine Planungssicherheit. Denn wegen des späten Haushalts hatten alle nur vorläufige Bescheide über Fördergelder bekommen. Die Staatsregierung könne nicht davon ausgehen, dass auch andere Kommunen wie die Stadt München die entstandene Lücke auffangen. „Sie nimmt in Kauf, dass Angebote der Frauenhäuser eingestellt werden müssen“, ärgert sich Köhler.
Das Sozialministerium rechtfertigt die Kürzung auf Köhlers Anfrage hin mit einer Prüfung des Obersten Rechnungshofs. Es sei eine Überfinanzierung des Frauenhauses festgestellt worden.
KATRIN WOITSCH