Blöde Baustelle: So nennt Ingeburg Milenovic die Dauerbaugrube inzwischen.
Stillstand: Seit dem Sommer 2023 tut sich auf der Baustelle nur noch wenig. © Schmidt (2)
Seit Sommer 2023 stehen die Kräne beim früheren Karstadt am Nordbad still – nun wurden sie sogar abgebaut. „Das Wasser sammelt sich langsam in der Grube, außen rum liegt Gerümpel“: So hört sich die Kurzbeschreibung von Ingeburg Milenovic zu der Großbaustelle an. Manchmal laufe jemand auf dem Gelände rum, ansonsten Stillstand, seit zwei Jahren – „es ist undurchsichtig, was da vorgeht“.
Milenovic (92) war in den 80er-Jahren Stadträtin und wohnt nebenan in der Elisabethstraße. Wie viele ihrer Nachbarn weiß sie nicht so recht, was sie aus der Situation machen soll. Eigentlich sollte auf dem 6200 Quadratmeter großen Areal zwischen Winzerer-, Wormser-, Elisabeth- und Schleißheimer Straße jetzt ein sechsstöckiger Gebäudekomplex mit Innenhof und begrüntem Dach stehen – 27 000 Quadratmeter Bürofläche, Markthalle im Erdgeschoss, Gastronomie, Läden, Kita. Stattdessen klafft das „Schwabinger Loch“, wie die Baugrube in Anspielung auf eine andere Dauerbaustelle in Sendling mittlerweile genannt wird.
Mit Wehmut denkt Milenovic heute an den Karstadt-Bau aus den 60ern zurück: „Das alte Kaufhaus gehörte einfach zum Viertel dazu, meine Kinder kennen gar nichts anderes.“ Für viele Schwabinger sei mit dem Abriss 2021 „ein Stückchen Heimat“ verlorengegangen. Besonders vermisst Milenovic das frühere Café im Karstadt: „Ich komme aus dem Sudetenland, Kaffeehäuser gehören für mich dazu.“ Seit kürzlich auch noch das Café am Nordbad zugemacht habe, gebe es in der Gegend überhaupt keinen Ort mehr, wo man sich zum Kaffee treffen kann. Für Besorgungen, die man früher einfach nebenan erledigte, müsse man jetzt zur Münchner Freiheit, zum Rotkreuzplatz oder gleich ins Stadtzentrum. Für ältere Leute nicht optimal.
Dabei findet Milenovic die Pläne für den Neubau gar nicht so übel, wie sie sagt, mittlerweile überwiegt aber allseits der Frust: „Abgesehen von einigen wenigen, bei denen jetzt mehr Sonne reinkommt, schimpfen die meisten Nachbarn über die blöde Baustelle und dass nichts vorwärts geht.“
Was Bauherr Stefan Pfender von der Firma Bono Schwabing auf Anfrage unserer Zeitung mitteilt, wirkt allerdings nicht so, als würden sich die Baumaschinen allzu bald wieder in Bewegung setzen. Er habe „vollstes Verständnis“ für den Ärger der Anwohner, sagt der Investor. Aber: „Erst wenn wir eine bestimmte Vermietungsquote haben, können wir weitermachen.“ Das könne in zwei, drei oder auch sechs Monaten sein. „Wir waren letztens dreimal zweiter Sieger und erster Verlierer, weil sich Mietinteressenten doch für andere Standorte entschieden haben.“
Spekulativ zu bauen, sei angesichts der finanziellen und wirtschaftlichen Situation heutzutage nicht mehr drin, so Pfender. „Auch wenn das manche nicht wahrhaben wollen, aber wir haben die größte Wirtschaftskrise seit ever. Die Leute investieren einfach nicht mehr.“ Die Schuld daran gibt er vor allem der Politik, spricht von „Gängeleien“ und erwähnt das „Heizungsgesetz“. Pfender hofft, dass sich mit der nächsten Regierung „schnell was tut“ – und sein Gebäude zumindest bis 2027 fertig wird.
Milenovic wäre fürs Erste schon damit geholfen, wenn sie wieder an der Elisabethstraße entlanggehen könnte, ohne zweimal die Straßenseite wechseln zu müssen, weil es den früheren Bürgersteig vor Karstadt wegen der Baustelle nicht mehr gibt. Ein echtes Problem sei das für Menschen mit Rollator, aber auch für jüngere Leute mit Kinderwagen. „Dass wir wieder einen Weg haben, ist jetzt gerade am wichtigsten.“
DAVID NUMBERGER