Melis Sekmen (CDU) zieht nicht in den Bundestag ein.
Sieger Volker Ullrich (li.) und Sebastian Brehm (beide CSU) dürfen auch nicht in den Bundestag. © Christophe Gateau, Lucas Röhr
Claudia Küng (CSU) hat gewonnen, steht aber mit leeren Händen da. Ihre Partei hat insgesamt jeweils zu wenig Sitze. © Yannick Thedens, Bernd Weißbrod
Was haben Jamila Schäfer (Grüne), Sebastian Roloff (SPD) und Wolfgang Wiehle (AfD) gemeinsam? Sie alle waren Kandidaten im Wahlkreis München-Süd. Sie alle haben den Kampf um das Direktmandat verloren – gegen Claudia Küng von der CSU. Und alle werden dennoch im nächsten Bundestag sitzen, weil sie entsprechend gute Plätze auf den Landeslisten ihrer Parteien haben. Nun raten Sie mal, wer nicht ins Parlament einzieht? Claudia Küng, die Siegerin. Gewonnen. Aber nicht drin!
Grund ist das neue Wahlrecht. Die Parteien dürfen nur noch so viele Abgeordnete in den Bundestag schicken, wie ihnen dem Zweitstimmenergebnis nach zustehen. Überhang- und Ausgleichsmandate entfallen. Die CSU hat 44 Sitze, aber 47 Direktmandate gewonnen. Und Küng war unter den Besten am schlechtesten. 30,4 Prozent reichten nicht. Am Tag nach der Wahl sprach Küng von einem „süß-bitteren Sieg“. „Ich freue mich, dass wir den Wahlkreis gewonnen haben. Das hätte uns vorher keiner zugetraut. Und ich habe vier amtierende Bundestagsabgeordnete geschlagen.“ Was besonders schmerzt: „Ich kriege eine Gratulation nach der anderen. Viele glauben, ich habe gewonnen. Aber ich muss ihnen sagen: Nein, ich habe verloren. Das tut so weh.“
Küng ist nicht allein. In Augsburg gewann Volker Ullrich (CSU) seinen Wahlkreis – und bleibt ebenso außen vor. „Den hart umkämpften Wahlkreis Augsburg habe ich mit 31,1 Prozent und über zehn Prozentpunkten Vorsprung gewonnen“, schrieb Ullrich resigniert auf X. „Und dennoch nicht im Bundestag? Das neue Wahlrecht ist unfair und undemokratisch. Verloren haben vor allem meine Wähler und das Vertrauen in die Demokratie.“ Seine unterlegene Kontrahentin Claudia Roth (Grüne) bekommt dagegen einen Sitz im Bundestag. Über die Liste.
Der dritte CSU-Pechvogel ist Sebastian Brehm. Er gewann Nürnberg-Nord – und steht mit leeren Händen da. Auch hier die absurde Situation: Die Wahl-Verliererinnen der SPD und der Grünen ziehen über die Liste in den Bundestag ein.
Auch außerhalb Bayerns müssen viele Politiker draußen bleiben: Prominentestes Beispiel ist Melis Sekmen. Die war voriges Jahr von den Grünen zur CDU gewechselt. Zwar hat sie ihren Stimmkreis Mannheim knapp mit 24,7 Prozent gewonnen, nach Berlin darf sie aber dennoch nicht zurück.
Wegen des neuen Wahlrechts hat der Bundestag nur noch 630 Abgeordnete, statt aktuell 733. Das Wahlsystem ist rechtens – aber auch gerecht? Münchens CSU-Chef Georg Eisenreich bezweifelt das. Er sagt: „Dass gewählte Direktkandidaten nicht in den Bundestag einziehen, ist unfair und undemokratisch. Das Wahlrecht muss geändert werden.“ Und auch der CSU-Fraktionschef im Stadtrat, Manuel Pretzl, findet ähnliche und klare Worte: „Das ist undemokratisch und absurd.“
T. GAUTIER, S. KAROWSKI