Und sie waschen trotzdem

von Redaktion

Nach Reiter-Absage: Geldbeutel-Tradition am Fischbrunnen

Axel Munz findet, Geld alleine macht nicht glücklich.

Sie halten die Tradition hoch: (v.li.) Christian Schöttl, Reinhard Kastl, Susi Müller, die Prinzenpaare Dennis I. und Paulina I. sowie Michaela II. und Christian IV. © Marcus Schlaf (2)

Für ihr finanzielles Glück macht sie sich ordentlich nass: Aida Bauer, Daunenjacke, dunkler Dutt, tunkt ihren roten Geldbeutel in den Fischbrunnen. Das Wasser prasselt runter, spritzt ihr ins Gesicht, auf die Hose. „Ich habe mir heute extra diese Geldbörse gekauft“, sagt die Touristin aus Deggendorf, die aus der Dominikanischen Republik stammt. Eine Freundin aus München habe ihr von diesem Brauch erzählt. Jetzt hofft sie auf ein gutes Jahr mit viel Geld.

Neben Bauer finden sich gestern einige Münchner am Marienplatz zum traditionellen Geldbeutelwaschen ein. Obwohl die Stadt dieses Ritual heuer offiziell abgesagt hat. Normalerweise wird der Stadtsäckel am Aschermittwoch symbolisch in den Fischbrunnen getaucht, um finanzielles Glück heraufzubeschwören. Der Brauch geht auf das 15. Jahrhundert zurück: Damals zeigte das Dienstpersonal zu Beginn der Fastenzeit ihren Herren an, dass nach dem Fasching ihre Geldbeutel leer waren.

Wegen des Anschlags vom 13. Februar mit zwei Toten und zahlreichen Verletzten wurde das diesjährige Ritual jedoch gecancelt. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) begründet dies auf der Rathaus-Homepage: „Wann dürfen wir nach dem schrecklichen Attentat wieder zur Normalität zurückkehren?“ Ein Richtig oder Falsch gebe es hier nicht. Es sei eine schwierige Entscheidung, die aber getroffen werden müsse. „Ich halte es deshalb für angemessen, aus Respekt vor den Opfern und ihren Angehörigen auch diese Veranstaltung noch abzusagen“, so Reiter.

Christian Schöttl von den Münchner Marktkaufleuten und Schaustellern tunkt trotzdem seinen Geldbeutel in den Brunnen. Auch wenn man sich Gedanken über das Attentat mache: „Die Tradition des Geldbeutelwaschens gehört einfach dazu, wenn der Fasching beendet ist.“ Nachdem der Münchner Fasching abgesagt war, wurde das hauseigene Prinzenpaar Paulina I. und Dennis I. zum Rosenmontagszug nach Mainz eingeladen. Ein kleiner Lichtblick in einer schweren Zeit. „Durch den Ausfall des Faschings sind wir gebeutelt“, sagt Schöttl. Dient diese Zeit doch sonst als Einnahmequelle nach der Winterpause.

Schöttl hätte beim Straßenfasching in der Fußgängerzone zwei Stände gehabt. „Wir plädieren dafür, dass die Stadt schnell wieder Veranstaltungen zulässt.“ Susi Müller, die am Viktualienmarkt einen Stand betreibt, tunkt ihr Portemonnaie ebenfalls ins Wasser: „Ich bin traurig, dass der Tanz der Marktfrauen am Faschingsdienstag ausgefallen ist“, sagt sie. Mit dem Geldbeutelwaschen und dem guten Wetter beginne jetzt hoffentlich der Aufschwung.

Normalerweise spendiert seine Brauerei beim Geldbeutelwaschen immer Freibier, erklärt Reinhard Kastl, technischer Geschäftsführer bei der Paulaner Brauerei Gruppe. Obwohl er Verständnis für die Absage hat: „Es ist ein schöner Brauch“, sagt er und badet seinen Geldbeutel. Das Glück kann er gut gebrauchen: „Die Bierbranche steht unter Druck.“ Der Bierkonsum sinke deutschlandweit. Zumindest in Bayern stiegen die Absätze. „Wir hoffen, dass die Branche die Talsohle erreicht hat.“

Auch wenn es seiner Zunft „ordentlich gehe“, macht Axel Munz, Geschäftsführer von Trachten Angermaier in München, seinen Geldbeutel nass. „Das Geldbeutelwaschen hat ja nichts mir Fasching zu tun.“ Und ein paar Scheine mehr können schließlich nicht schaden. „Aber das macht nicht reich“, betont Munz. „Viel wichtiger sind Gesundheit, Lebensfreude und Freunde.“
MARLENE KADACH

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