MÜNCHNER FREIHEIT

Jetzt geht die Post ab

von Redaktion

Es gibt Meldungen, die offenbaren ihre Sinnhaftigkeit erst auf den zweiten Blick. Zum Beispiel die Nachricht, dass die Post bis zum Jahresende bundesweit 8000 Stellen abbauen will. Ich hielt das zuerst für blanken Wahnsinn, hapert es doch mit der Zustellung schon jetzt an allen Ecken und Enden. Sobald der angestammte Zusteller oder die Zustellerin einmal krank oder im Urlaub ist, beginnt unter den Aushilfskräften das, was im Spaßfernsehen wohl Fehlzustellungs-Wettbewerb hieße, also „Misdelivery challenge“ kurz MDC. Für jeden Fehler gibt’s Punkte: Einwurf beim Wohnungsnachbarn (Richtige Adresse, falscher Adressat, Post-Kürzel RAFA): Ein Punkt. Hausnummer stimmt, Straße und Name aber nicht (Zahl korrekt, Rest verkehrt – ZAKREV): Zwei Punkte. Stimmen weder Straße noch Hausnummer oder Empfängername (Post-interner Code HAWEDES für „Hau weg den Scheiß“), gibt’s drei Punkte. Wer am Ende des Tages die meisten Punkte gesammelt hat, darf als Sieger der Aushilfskräfte-MDC drei Sendungen seiner Wahl öffnen.

Kein Wunder, dass die Post da über Personalabbau nachdenkt – bis zu einer Größe, bei der man rechnerisch nicht mehr auf Aushilfskräfte angewiesen ist. Ob die Personaldecke dann noch für das operative Geschäft reicht, spielt bei dieser Überlegung keine Rolle. Schließlich hat sich die Kundschaft längst daran gewöhnt, dass es nicht immer rundläuft. Die deutsche Sprache hält hier bestechend genau fest, dass man einen Brief aufgibt, wenn man ihn zu Post bringt. Beziehungsweise zur Postagentur, also dem Obst- oder Zeitschriftenladen um die über-übernächste Ecke. Mit dem einstigen „Postamt“, das sich bis heute im Sprachgebrauch festkrallt wie die Theresienwiese, die längst keine Wiese mehr ist, haben solche Agenturen so viel gemein wie das Petersbergl mit der Zugspitze. Aber in München ist man bekanntlich aufs Petersbergl stolz und um die Postagenturen immerhin froh.

Noch etwas anderes mag im Post-Vorstand bei der Entscheidung zum Stellenabbau mitgespielt haben: Die Karriere, also die Beförderung. Und davon versteht ein Postunternehmen ja immerhin was. Man kennt das Muster: Wann immer Personalabbau angekündigt wird, steigt der Aktienkurs, und den Verantwortlichen sind satte Boni sicher. Dazu, falls sie es sich dort nicht schon bequem gemacht haben, ein nettes Platzerl in Vorstand oder Aufsichtsrat.

Dass weniger Personal die originäre Aufgabe des Unternehmens – Beförderung von Postsendungen vom Absender zum Empfänger – womöglich nicht mehr erfüllen kann, sieht man im 41. Stock des Bonner Post-Towers gelassen. Erstens, so hieß es, gibt’s eh immer weniger Briefe. Die Zeit, in der die Nachfrage unsere Kapazitäten noch übersteigt, sitzen wir einfach aus. Und wenn’s ganz schlimm kommt, kassieren wir halt das Porto und schicken die Briefe einfach mit der Post.