Die Polizei verteilte an der Agricolastraße 81 Strafzettel über 55 Euro an Gehwegparker.
Rafaela Heidemann parkt seit Jahren mit ihrem Audi auf dem Gehweg in der Agricolastraße. Jetzt gab‘s dafür einen Strafzettel über 55 Euro – ohne Vorwarnung! © Fotos: Hartmann
Jahrzehntelang parkten die Anwohner der Agricolastraße in Laim mit zwei Reifen auf dem Gehsteig. Doch seit Kurzem ist das vorbei. Der Grund: Die Polizei hat dort an alle Gehwegparker Strafzettel verteilt – insgesamt 81 Stück zu je 55 Euro. Eine regelrechte Bußgeld-Orgie in Laim – und nicht nur dort.
Die Aktion sorgte für richtig Ärger: Bei der jüngsten Bezirksausschusssitzung beschwerten sich rund 50 Bürger darüber. Eine Polizeisprecherin bestätigt: „Wir haben seit längerer Zeit eine steigende Anzahl von Beschwerden vor allem in der Agricolastraße. Deswegen kam es zu diesen Verwarnungen.“
Klar ist: Gehwegparken ist nicht erlaubt – wird in der ganzen Stadt aber seit Jahrzehnten geduldet. Wenn die Polizei Bußgeld-Aktionen plante, teilte sie bisher immer zuerst Hinweiszettel aus. Sie warnten die Autofahrer davor, dass das Parken an der Stelle rechtswidrig ist und geahndet werden kann. Laut Polizeisprechern gab es dann „erst nach Tagen eine Ahndung“.
Das war in Laim nicht der Fall: Anwohnerin Rafaela Heidemann (52) bekam aus dem Nichts ein Bußgeld, weil ihr Audi A3 mit zwei Reifen auf dem Gehsteig stand – wie all die Jahre zuvor auch. „Die Aktion ist völlig unverhältnismäßig“, sagt die Anwältin. „Es kann nicht sein, dass alle Gebräuche in einer Nacht-und-Nebel-Aktion hinweggefegt werden.“ Die Polizeisprecherin bestätigt: „In dem Fall wurden die Hinweiszettel nicht vorab verteilt“. Grund: angeblich ein „interner Kommunikationsfehler auf der Dienststelle“. Das würde aber nichts ändern, betont die Sprecherin: „Letztendlich ist es aber so, dass das Parken auf dem Gehweg in dieser Straße verkehrswidrig war. Die Verwarnungen sind nicht zu beanstanden.“
CSU-Stadträtin Alexandra Gaßmann kritisiert die Polizei trotzdem: „Hinterrücks abstrafen, das ist ein Unding. Wo sollen die Menschen mit ihren Autos hin? Da muss die Stadt erstmal Alternativen anbieten.“
Der Druck auf Gehwegparker steigt in der ganzen Stadt: Das Mobilitätsreferat will diese Parkplätze stufenweise abschaffen – darüber soll der Stadtrat am Mittwoch entscheiden.
Auch an der Klagenfurter Straße in Giesing verteilte die Polizei jüngst dutzende Strafzettel an Anwohner, berichtet SPD-Stadtrat Roland Hefter. Das sei bereits im November gewesen. Dabei sei an der Straße immer genug Platz für Fußgänger gewesen – „immer um die 1,20 bis 1,50 Meter“, sagt Hefter. „Wir müssen das unterbinden, wenn man nicht mehr mit dem Rollstuhl durchkommt – aber wenn der Gehweg so breit ist, dass man mit zwei Reifen parken kann und es keine Behinderung gibt, muss das geduldet sein“, sagt der Stadtrat. Er fügt hinzu: „Diese meiner Meinung nach autofeindliche Ideologie ist ein Schlag ins Gesicht für Menschen, die sich keine Garage leisten können und ältere Menschen, die keine langen Strecken mit ihren Einkäufen nach Hause gehen können.“ Gebracht hätten die Bußgelder eh nichts, sagt Hefter: „Mittlerweile parken alle wieder auf dem Gehsteig – wo sollen sie auch mit den Autos hin? Es gibt fast keine Garagen im Viertel.“
THOMAS GAUTIER