Das Portal weg.li gibt an, wie viele der selbst gesteckten Ziele schon erreicht wurden.
Jochen Wieler parkte in Laim auf dem Gehweg, wurde über ein Portal bei der Polizei gemeldet und bekam ein Verwarnungsgeld über 55 Euro aufgebrummt. © Yannick Thedens
Jochen Wieler (49) parkt seit 16 Jahren in der Burgkmairstraße in Laim. Mit zwei Reifen auf dem Gehweg. Wie viele andere Anwohner. Doch am 7. Februar fotografierte ihn jemand dabei – und schwärzte ihn im Internet an. Drei Wochen später bekam Wieler Post vom Polizeiverwaltungsamt in Straubing: ein Verwarnungsgeld über 55 Euro. Auf dem Bescheid stand außerdem: „Drittanzeige über weg.li“.
Weg.li – ein Petz-Portal im Internet. Wahlspruch: „1, 2, 3 – macht die Bahn frei!“ Dort können – nein: sollen – Menschen Falschparker verpfeifen. „Unterwegs Beweisfotos von nervigen Falschparkern knipsen und dann mit Deinem Browser übers Handy oder den Computer bei weg.li hochladen“, steht als Anleitung auf der Website. „Die Beweisfotos werden nach dem Hochladen automatisch analysiert und Deine Meldung wird mit den erkannten Standort- und Fahrzeugdaten vorausgefüllt.“ Die Anzeige gehe dann „direkt über weg.li per E-Mail“ an das zuständige Ordnungsamt – in München also an die örtliche Polizeidienststelle oder ans KVR.
Das Portal aus Mecklenburg-Vorpommern veröffentlicht sogar eigene „Ziele“: 8000 Anzeigen sollen pro Woche rausgehen – das Jahresziel liegt bei 416 000 Anzeigen. Wie viele schon rausgegangen sind, zeigen Balken auf der Webseite an. Auch die besten Melder werden aufgeführt: Derzeit führt „Puschi“ (447 Anzeigen) vor „OsNasale“ (334 Anzeigen). Nutzer „Bongokarl“ meldete sogar schon 18 886 Falschparker. Nach eigenen Angaben wurden über „weg.li“ schon 1,1 Millionen Anzeigen erstattet. Laut dem Sprecher des Polizeiverwaltungsamts sind solche Portale (siehe Kasten) ganz legal – die Polizei arbeite aber nicht explizit mit ihnen zusammen.
Gehwegparker Jochen Wieler ist stinksauer: „Ich finde, diese Art der Denunzierung ist ungeheuerlich! Ich würde es ja noch einsehen, wenn Passanten behindert würden. Das ist aber nicht der Fall. Ich achte immer darauf, dass genau das nicht passiert. Es geht hier offenbar nur um ideologische Gründe.“ Wieler weiß nämlich, wer ihn verraten hat. Auf dem Anhörungsbogen der Polizei steht unter „Zeuge“ ein Mann namens Florian G. Der ist offenbar ein Umweltaktivist.
Park-Petzer gibt es in München zuhauf. Laut Informationen von „weg.li“ gab es hier in den vergangenen Wochen hunderte Anzeigen. Auch in Großhadern geht ein Park-Petzer um. „Wenn jemand falsch parkt, kurz irgendwo hält, steht er da, macht ein Foto und zeigt den bei der Polizei an“, schreibt Leser Zsolt W.
Gehwegparken ist gesetzlich nicht erlaubt, wurde aber jahrzehntelang in München geduldet. Doch das ändert sich gerade. Jetzt war es im Stadtrat Thema. Ein Plan des Mobilitätsreferats sah vor: Neue Parkplätze sollten nicht mehr ausgewiesen werden, bestehende abgeschafft werden – mit Strafzetteln und Halteverboten. In Laim erhielten neulich 81 Anwohner Strafzettel (wir berichteten).
Der Stadtrat lehnte eine Verschärfung mit Stimmen der CSU und SPD ab. SPD-Stadtrat Roland Hefter warnt: „In diesen Petzportalen wird das Denunziantentum gefördert. Polizisten haben wichtigere Dinge zu tun, als sich mit Anzeigen zu beschäftigen von Menschen, die eine tiefe Unzufriedenheit in ihrem eigenen Leben spüren und durch solche Anzeigen das Gefühl bekommen, ihrem Leben einen Sinn zu geben.“ Hefters Stadtratskollegin Veronika Mirlach (CSU) mahnt: „Leben und leben lassen.“
THOMAS GAUTIER