Es war 4.43 Uhr in der Früh, als ich aus einem wirren Traum aufwachte. Alles noch so klar vor Augen und alles dermaßen gaga! Ich dachte mir: Diesmal merk ich‘s mir, damit ich‘s weitererzählen kann.
Und bitteschön: Ich saß mit meiner Frau und unseren beiden Töchtern beim Abendessen am Küchentisch, wir hatten Hamburger gemacht. Grad als ich zum ersten Bissen ansetzte, wuchs neben mir ein Chemiker aus dem Boden. Nerd-Brille mit runden Gläsern, weißer Labormantel, blonde Kurzhaarfrisur: Der Typ sah dem schrägen Wissenschaftler aus der Comic-Serie „Die Simpsons“ erstaunlich ähnlich. Er holte ein Gerät aus der Tasche, das wie ein altes Fieberthermometer aussah und schob es ungeniert in das Fleischpflanzl meines Burgers. Zog‘s wieder raus, betrachtete es kurz und stellte fest: „Aaaaaaha! Da sind Legionellen drin.“ Dann verschwand er wieder in den Boden, wie in einem Aufzug nach unten. Ich schüttelte kurz den Kopf, dachte noch drüber nach, dass Legionellen doch nicht im Fleisch wären, sondern eher in einer Wasserleitung. Vielleicht hatte sich der Chemiker ja getäuscht, meinte stattdessen Salmonellen? Ohne dass mir das alles irgendwie gefährlich vorkam, schüttelte ich noch mal den Kopf und begann im Traum endlich zu essen.
Jetzt ab in die reale Welt. Da, wo meine Eltern kürzlich bei einem Stadtviertel-Fest waren. Auf einer Wiese wurde ein Frühlingsfeuer entzündet, es gab Musik. Ein Bürgerfest für ein paar hundert Leute – mit einem Buffet, zu dem jeder was mitbringen konnte, so wie früher beim Schul-Sommerfest.
Weil wir in Deutschland die Bürokratie lieben und weil es so schön ist, wenn man einfache Dinge kompliziert machen kann, durften Essens-Mitbringer die Gerichte aber nicht einfach so auf einen Tisch stellen. Man musste sich anmelden und die Ware genau deklarieren. Mit allen Inhaltsstoffen, sodass kleine Fähnchen erstellt werden konnten, über die man dann wiederum Rückschlüsse auf möglicherweise enthaltene Allergene ziehen konnte. Behörden-Vorgabe, hieß es. Ich weiß ja nicht, ob wir todesmutig waren damals als Jugendliche – aber beim Schul-Sommerfest haben wir ohne Fähnchen, ohne Lebensmittelkommissar und ohne Inhaltsangabe halt einfach gegessen, was gut aussah. Gestorben ist meines Wissens keiner der Beteiligten. Maximal wurde jemandem schlecht, aber das lag wohl eher an der Menge.
Meine Eltern brachten zu besagtem Bürgerfest übrigens eine Gemüse-Quiche mit. Mein Vater wurde bei Abgabe der Speise vorschriftsgemäß befragt, was da wohl drin sei. Er sagte „A Doag und a Gmias“. Ich finde, das war als Antwort angemessen – und ich finde, dass mein Essens-Traum sich schwertut, in Sachen Abseitigkeit mit der Realität mitzuhalten.