MÜNCHNER FREIHEIT

Gute Fahrt mit Rikaschu und Ricoschu

von Redaktion

Ich geb’s ja nicht gern zu, aber ich muss Tante Erna Abbitte leisten. Tante Erna, müssen sie wissen, glänzt bei allen Familientreffen mit einfachen Lösungen für die kompliziertesten Probleme. Als wir uns wegen des Ozonlochs sorgten, schlug sie vor, mit ein paar großen Flaschen Ozon hinaufzufliegen und das Gas dort ausströmen zu lassen, bis das Loch wieder dicht ist. „Tolle Idee“, haben wir gesagt. Wir wussten: Diskutieren ist zwecklos. „Tolle Idee“, sagten wir auch, als Tante Erna sich zur Zweiten Stammstrecke äußerte. Die Älteren werden sich noch erinnern: Ganz am Anfang standen da einmal Kosten von drei bis vier Milliarden Euro im Raum. „Die sind ja wahnsinnig“, schimpfte Erna. „Für das Geld können die ihre Fahrgäste bis ans Ende aller Tage mit Sänften durch die Stadt tragen lassen!“ Und weil sie merkte, dass wir zweifeln, präzisierte sie ihre Vision. „Wenn die alte Röhre zu eng wird, sollen sie eben die Hälfte der Züge an Ost- und Hauptbahnhof wenden lassen und für die Strecke dazwischen einen Sänften-Pendeldienst einführen.“ Wir haben uns köstlich amüsiert – obwohl der Anlass des Treffens eine Beerdigung war.

Jetzt, da in der Stammstrecken-Debatte die Zehn-Milliarden-Euro-Marke in Sicht kommt, bin ich unsicher geworden. Hatte Tante Erna Recht? Zugegeben: Sänften erscheinen nicht mehr ganz zeitgemäß. Aber Radl-Rikschas mit Elektroantrieb?

Die gibt es. Und dass man S-Bahn-Linien teilen und wenden lassen kann, beweist die S7. Es ist also letztlich eine Kostenfrage, ob man Züge in den Untergrund schickt oder Rikschas auf die Straße. Ich habe nachgerechnet: Wenn wir, statt zehn Milliarden Euro im Untergrund zu verbuddeln, 2000 Pedelec-Rikschas à 10 000 Euro kaufen (das ist dann das Luxus-Modell mit Klimaanlage und W-LAN), bleiben grob gerechnet 9,98 Milliarden Euro übrig. Wenn wir täglich 20 Stunden lang im Schnitt 1500 Fahrer zum Mindestlohn beschäftigen, würde das Geld bis 2096 reichen – bei Fahrten zum Nulltarif, wohlgemerkt. Einnahmen könnte man generieren, wenn man die Rikschas als Werbefläche vermarktet und den Fahrgästen etwas Besonders zum Kauf anbietet. RICOSCHUs und RIKASCHUs beispielsweise könnten die Fahrt zum Genuss machen, also Rikscha-Cocktails von Charles Schumann und Rikscha-Kanapees von Alfons Schuhbeck. Letztere frisch aus der Gefängnisküche, damit der alte Gauner seine Steuerschulden zurückzahlen kann. Bei 11,70 Euro Verkaufspreis (moderat angesichts des Brezn-Preises in so manchem Bahnhofs-Imbiss), käme eine erkleckliche Summe zusammen, womöglich gar ein Überschuss.

Tante Erna wäre glücklich – und hätte bestimmt auch eine Idee, wie sich der drohende Rikscha-Stau in der Innenstadt abbauen ließe: Warum nicht einfach zwischen Hauptbahnhof und Ostbahnhof einen Rikscha-Tunnel bohren?

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