Angriffslustig: Der Ex-Kicker Jens Lehmann erschien gestern in Lederjacke und Turnschuhen zu seiner Verhandlung vor Gericht. © Jantz, Hangen
Früher spielte er als Torhüter um Titel. Mittlerweile kennt man ihn aber nicht nur aus dem Fernsehen, sondern auch als Angeklagten vor Gericht. „Es kommt zum Aufruf die Strafsache Jens Lehmann wegen Trunkenheitsfahrt“, sagte Richterin Alexandra Möhring gestern im Strafjustizzentrum. Dort ging es um Lehmanns Alkoholfahrt nach der Wiesn. Der ehemalige Nationalspieler (55) kam in Turnschuhen und Lederjacke. Angriffslustig, wie man ihn kennt.
Der Fall: Mit 0,72 Promille stoppte die Polizei den 55-Jährigen am 23. September 2024 gegen 1.30 Uhr auf der Hansastraße. Laut den Beamten, die als Zeugen aussagten, zeigte Lehmann deutliche Ausfallerscheinungen: „Er schwankte und roch nach Alkohol.“ Lehmann habe sich an der Heckklappe seines geliehenen Audi S3 festhalten müssen – später würgte er angeblich sogar.
72 000 Euro sollte der Ex-Fußball-Star für den Verstoß zahlen, doch er legte Einspruch ein. Nur deshalb kam es zum öffentlichen Prozess. „Es war ein Fehler, dass ich mich ins Auto gesetzt habe. Ich bin gefahren, weil ich der Annahme war, dass ich fahrtauglich bin. Aber ich habe den Wert falsch eingeschätzt, der später bei der Kontrolle gemessen wurde“, sagte Lehmann. „Ich bereue das. Aber die Ausfallerscheinungen, die mir vorgeworfen werden, stimmen nicht.“ Das nämlich wäre eine Straftat! Und keine Ordnungswidrigkeit mehr.
Vor Gericht kam heraus: Lehmann hatte einen bunten Tag auf der Wiesn. Mittags war er schon zum Essen, trank eine saure Mass. Um 17.30 Uhr ging er mit Freunden ins Schützenzelt. „Dort hatte ich zwei Mass und noch eine saure.“ Gegen 23 Uhr ging es zu Fuß zur Isar, wo sein Auto parkte. Doch Lehmann kam gegen 0.30 Uhr zurück, um Freunde vor dem Käfer-Zelt zu treffen. „Wir wollten noch weiter zu einer Party im Westend.“
Dazu kam es nicht: Die Polizei stoppte Lehmann, weil er in voller Fahrt von der Hansastraße auf den Parkstreifen nebenan fuhr – und nach einigen Metern wieder zurück auf die Fahrbahn. „Ich musste dringend pinkeln“, lautet seine Begründung. Polizisten brachten ihn zur Blutentnahme in die Rechtsmedizin, eine Ärztin beschrieb ihn als „unangemessen aggressiv“, Polizisten nahmen ihn als „gereizt und distanzlos“ wahr. Außerdem habe er einen Beamten auf dem Weg zur Blutabnahme mehrfach angehaucht. Das wies Lehmann zurück: „Ich habe ihn nicht angehaucht, weil ich es allein schon unästhetisch finde.“ Für die Blutentnahme hätten sie Lehmanns rechten Oberarm fixieren müssen, berichten die Polizisten.
Lehmann wiederum hat vieles anders erlebt. Zum Beispiel sagt er, er habe lediglich Husten gehabt. „Ich würge nicht – und schon gar nicht nach zwei Mass.“ Er sage die Wahrheit und schwöre „beim Leben meiner Kinder“. Im Prozess befragte er Zeugen wie ein Staatsanwalt, trat fordernd auf.
Das Urteil: Eine relative Fahruntüchtigkeit mit Ausfallerscheinungen konnte Lehmann letztlich nicht nachgewiesen werden – eine Gutachterin hatte ihn entlastet. Deshalb war die angeklagte Straftat vom Tisch. Im Ergebnis muss er eine Geldbuße von 1000 Euro zahlen und verliert für einen Monat seinen Führerschein. Da dieser ohnehin seit der Alkoholfahrt eingezogen war, bekommt er ihn direkt zurück.
ANDREAS THIEME