Zu den meiststrapazierten Redensarten dieser Tage gehört die Spruchweisheit, dass ungewollte Koalitionen nun einmal keine Liebesheiraten seien – man sich also nicht wirklich beklagen dürfe, wenn da auch Grauenhaftes für den Bund des kommenden Lebensabschnitts vereinbart werde. Diese Ausrede ergibt durchaus Sinn, wenn man tatsächlich Kröten schlucken muss, die man auch tatsächlich nur mit Mühe und Selbstüberwindung hinunterbringt.
Aber kann davon derzeit auch wirklich die Rede sein? Die Sozialdemokratie hatte ja jahrelang jedes Zusammengehen mit der Union als größte Katastrophe auf Erden angeprangert und für alle Lebenszeit, also mindestens ein, zwei Legislaturperioden, ausgeschlossen. GroKo? Nie mehr! Großes Indianer-Ehrenwort! Nichts wäre schändlicher als nochmals so ein Bündnis, das uns unfassbare Ketten auferlegt, Freiheit oder Tod!
Tja, und dann ist der Wahlabend irgendwie dumm gelaufen. Finsternis, wohin man blickt, ein Abgrund schlimmer als der andere, wäre da nicht ein einziger Lichtblick: Könnte man nicht, ich meine: nur theoretisch, nur für ein einziges Mal, und das sogar auf bewährte Weise, mit der Union, ja, ja, ich weiß schon, das klingt unerträglich, aber es wäre ja nur gezwungenermaßen, nicht aus freien Stücken… Und vor allem: Es würde ja ganz anders heißen!
Spätestens hier ist es höchste Zeit: Die Kevin-Kühnert-Generation hat ja niemals die Union als Partner ausgeschlossen, nur die GroKo als Krebsübel ausgemacht. Und davon kann doch wirklich keine Rede sein, wenn die Union sich mit einer winzigen Partei wie der heutigen SPD zusammentut … Groß wäre die Koalition nur mit den Rechtsextremisten, und das verleiht den No-GroKo-Parolen doch neuen Glanz!
Und der Bräutigam kommt auch auf seine Kosten. Da verbietet sich doch jeder Vergleich mit der Ehe wie von selbst! Bei einer Koalition muss der wirtschaftlich stärkere Partner keine Verpflichtungen für die Partnerin eingehen, keine Unterhaltsansprüche und auch noch einen Versorgungsausgleich akzeptieren, nein, er bekommt, nur weil sie so HART verhandelt, Milliarden geschenkt, auf die er schon vollmundig verzichtet hat. Plötzlich unüberschaubar REICH, nur weil es die Partnerin erzwungen hat. Welche Liebesheirat kann da mithalten?
Da bleibt schon etwas Glaubwürdigkeit auf der Strecke, aber für so viel Geld? Milliarden, von denen man im Falle einer absoluten Mehrheit nicht einmal hätte träumen können. Man sollte auch auf dem Standesamt solche Koalitionen eingehen statt Liebesehen. Reichtum hält länger.
Da könnte sich die SPD doch eine Scheibe abschneiden. Aus freien Stücken die Zuwanderung bremsen, käme ihr nie in den Sinn. Aber anders als bei der Eheschließung wird man im Parlament ja gar nicht gefragt, ob man aus eigenem und freien Willen handelt. Man hat keine andere Wahl – das genügt. Zum Beispiel für ein Migrationsrecht, das vielleicht sogar das eigene Überleben sichert, wenn man es sich früh genug aufzwingen lässt.