Neulich ist es mir wieder passiert. In einem Kaffeehaus musterte mich ein junger Mann derartig intensiv und ernsthaft, dass mit gleich ganz anders wurde. Immer wieder schaute ich zu ihm hin, und immer noch verweilten seine blauen Augen unverwandt auf meinem Gesicht. War das neuerdings die angesagte Flirt-Methode? Oder hatte ich einen dicken schwarzen Flecken auf der Backe, den andere nur höflich ignoriert hatten? Na ja, etwas verunsichert widmete ich mich besonders konzentriert meiner Zeitung und dem Reiberdatschi mit Apfelmus.
Der aufdringliche hübsche Blonde ließ erst ab von meinem Anblick, als ein mächtiger Eisbecher vor ihm stand. Seine Aufmerksamkeit war jetzt vor allem darauf gerichtet, den Löffel richtig zu halten, zu führen, das Gefrorene mit Schlagrahm aufzunehmen und irgendwie in den Mund zu bugsieren. Den Stiel mit der Faust zu packen, war kein sehr praktikabler Ansatz; ein elegantes Spiel der Finger wollte nicht funktionieren. Also musste die Mama helfen, damit endlich ein Happen der Süßigkeit in dem kleinen Mäulchen landen konnte.
Es ist etwas Besonderes, mit kleinen Kindern anzubandeln, denn sie sind noch völlig unverstellt. Für die meisten bist du ein fremdes Lebewesen, das man ignorieren oder eben interessant finden kann. Kommt der große Mensch näher und spricht zu einem, ist das spannend (neugierige Augen) oder bedrohlich (tränende Augen); auf jeden Fall ist es gut, sich hinter Papa oder Mama zu verstecken. Eine Schutzzone muss sein. Erst wenn die Vertrauenswürdigkeit der Person ausführlich überprüft wurde, wird vielleicht eine Annäherung unternommen.
Da gibt es die geborenen Flirt-Genies, die dich plötzlich anlächeln, ja anstrahlen, huldvoll winken und dir womöglich ihr Schmusetier auf den Schoß legen. Das sind Avancen, denen unsereins natürlich nicht widersteht; du bist mit viel Schauspiel-Getue außer dir vor Begeisterung wegen des ziemlich schmuddelig-abgeliebten Hasen. Mir ist sogar schon mal ein Gutti geschenkt worden – direkt aus dem Goscherl eines zweijährigen Kavaliers! Ich habe mich selten über etwas so gefreut wie über das angelutschte Bonbon, denn das Kerlchen hat echten Verzicht geübt und ein großes Herz bewiesen.
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