MÜNCHNER FREIHEIT

Bei Bedarf boxbar

von Redaktion

Hier in diesem vertrauten Kreis darf ich zugeben: Manchmal kann auch ich mich nicht beherrschen, da kann ich noch so friedliebend erzogen worden sein und selbst erziehen. Am Samstag suchte ich nach dem spielentscheidenden Tupperware-Deckel, tauchte aus dem Küchenschrank wieder auf und haute mir sehr fest den Kopf an. So sehr, dass der Schmerz im Kopf die Kontrolle übernahm und meinem Fuß zurief: „Hau so fest du kannst gegen den Unterschrank, dann tut es nicht mehr so weh.“ Falsch. Danach taten beide weh, Kopf und Fuß.

Vermutlich sind Sie alle bessere Menschen als ich und kennen solche Lebenslagen nicht. Deshalb: Wenn sich auf diese Lebensbeichte irgendjemand meldet und sagt: „Aggressionen an Küchenunterschränken auslassen? Das klingt nach Psychiater oder acht Wochen Jakobsweg!“: Ich ergebe mich.

Manchmal muss die Energie raus, so dumme Wege sie sich auch sucht. Am besten ist dafür ja Sport, aber leider ist meist kein Schwimmbad in der Nähe, wenn ich mir gerade in meiner Küche am Küchenschrank den Kopf anhaue. Wahrscheinlich sollte ich ins ganze Haus Boxsäcke hängen. Denn wenn man diesen Verdammt-Aaaah-Aua-Moment hat, dann muss es schnell gehen. „Jaja, Aua, aber Moment, ich geh erst mal in den Keller zum Boxsack, weil was kann der Schrank dafür?“ Dafür muss man Jesus sein.

Weil die „Nicht hauen“-Regel bei Kindern, die streiten, nicht immer funktioniert und meist ein Boxsack fehlt, habe ich mich nun selbst zum mobilen Boxsack erklärt. Die neue pädagogisch wertvolle Regel heißt: „Wenn ihr euch übermüdet hochschaukelt und eins zum anderen kommt, wenn dann gar nichts mehr geht, dann boxt lieber den Papa als euch!“. Das mit dem „boxt den Papa“ haben sie sehr schnell kapiert.

Aber ich mache meinen neuen Job mit Stolz. Sie boxen sanft und zwicken süß, sind besser drauf und ich lache mich sowieso kaputt. Als guter Boxsack ahnt man vorausschauend, wann man gebraucht wird. Schon wenn die Stimmen im Wohnzimmer lauter werden, komme ich aus dem Arbeitszimmer gerauscht und rufe: „Bin da, boxt mich, nicht euch“. Ich halte mittlerweile die Hälfte der Streitigkeiten für inszeniert.

Und ich selber? Wenn ich mir das nächste Mal den Kopf anhaue? Trete ich dann wieder gegen den Küchenschrank? Teile der Familie fänden das gar nicht so schlecht, schließlich will meine Frau schon lange eine neue Küche: Je früher die alte Küche in Trümmern liegt, desto besser. Dann kann sie die neue Küche bauen und ich gehe als mobiler Boxsack auf den Jakobsweg, da gibt es bestimmt alle 500 Kilometer auch manchmal schlechte Laune. lokales@ovb.net

Artikel 1 von 11