„Bücher weg, Hefte weg – wir schreiben eine Ex!“ Geben Sie zu, Sie hatten gerade eine kleine Panikattacke. Selbst, wenn man schon Jahrzehnte aus der Schule raus ist, treibt einem dieser legendäre Satz den kalten Angstschweiß auf die Stirn. Damals ganz oben auf meiner Liste: Latein! Irgend so ein superschlauer Studienrat hat meiner ahnungslosen Mutter damals bei der Übertrittsberatung von der Grundschule aufs Gymnasium den Floh ins Ohr gesetzt, dass Latein der Ursprung aller Sprachen sei und damit die beste Grundlage für die Schulkarriere ihrer Tochter. Damit hatte ich den Dreck im Schachterl! Mal ganz deutlich: Latein hat mir meine Schulzeit versaut! Hätte es damals keine Exen oder Abfragen, keine Aufrufe wie „Carmen, übersetze doch mal den nächsten Absatz“ gegeben – freiwillig hätte ich da gar nichts getan. Vielleicht nachts auf dem Lehrbuch geschlafen, damit der Stoff quasi einzieht. Habe ich ausprobiert, hat nicht funktioniert. Meine Übersetzungen hatten mehr was von Ratesendung – mit mir als Kandidat und dem Lehrer als Jäger.
Eigentlich war es nicht die Angst vor der Ex, sondern eher der Zweifel am Inhalt, der mir das Schulleben schwer gemacht hat. Ich habe tatsächlich noch die „Kornkammern Europas und der Sowjetunion“ in Erdkunde auswendig lernen müssen. Ja, Herr Putin, ich weiß, wie Ihre Landwirtschaft tickt! Wäre die Ex da nicht so was von klar gewesen, ich hätte das nie und nimmer gelernt. Es war dann auch mehr so Bulemielernen. Wissen reinstopfen, bei der Prüfung ausspucken und danach wieder vergessen. Weg mit dem unnötigen Ballast!
Aber auch weg mit der Ex? In einer idealen Welt lernen natürlich alle Schüler freiwillig und mit Spaß, machen immer ihre Hausaufgaben und hören ihren Lehrern aufmerksam zu. Jede Stunde, das gesamte Schuljahr lang. Weil sie mit 12, 14, 16 Jahren schon verstanden haben, dass sie sich andernfalls nur selbst schaden. In dieser Welt habe ich Modellmaße, alle Radfahrer in München halten sich stets an die Verkehrsregeln und im Weißen Haus in Washington wird gerade säckeweise Hirn angeliefert. Träumt weiter!
Meine Albträume jedenfalls sprachen damals eine tote Sprache. Ich musste sogar mit Lateinbüchern in den Urlaub fahren! Um Lücken aufzufüllen! Meine Mutter glaubt noch heute an den Weihnachtsmann. So fragte sie mich selbst in Österreich jeden Abend unregelmäßige Verben ab. Das waren keine Ferien, das war Folter! Ein eindeutiger Verstoß gegen die UN-Menschenrechtskonvention! Da hätte ich mir die Unterstützung der Politiker, die jetzt so gegen die Exen wettern, sehr gewünscht. Übrigens: Ich war nach den Ferien auch nicht schlauer.
Erste Handlung in der Kollegstufe: Latein abwählen, Hefte und Bücher verbrennen! Dazu der feierliche Schwur: Nie wieder Latein! Habe ich bis heute gehalten. Aufgaben erfüllen aus dem Stegreif gibt es hingegen bei mir bis heute. Ich habe kein Navi im Auto, was meinen Sie, wie ich meinen Weg von A nach B plane? Das ganze Leben ist ein Quiz…