Warum wohnen hier Touristen?

von Redaktion

Luxusstudios statt Sozialbau im Lehel – Kritik an Stadt-Tochter

Sauer: Hausbewohner Andreas Marklstorfer.

Touristen-Studios statt günstige Wohnungen: Das Haus der Münchner Wohnen im Lehel. © Marcus Schlaf (2)

Wohnungen sind in München rar wie Diamanten. Vor allem günstige. 2024 bewarben sich 30 000 Menschen um eine geförderte Wohnung. Wohn-Krise pur also. Und deshalb ist ein Geschäftsdeal der Münchner Wohnen nun mehr als merkwürdig. Vermietet die städtische Sozialbaugesellschaft wertvollen Wohnraum lieber an Touristen als an Münchner?

Fakt ist: Die Stadttochter hat 400 Quadratmeter in ihrem Haus in der Liebherrstraße 16 (Lehel) an die Homaris AG aus Berlin vergeben. Die vermietet dort seit April zehn möblierte 40 Quadratmeter-Studios und -Apartments im Erdgeschoss. Preis: rund 200 Euro die Nacht – zur Wiesn bis 1200 Euro. Dafür gibt‘s beste Lage zwischen Altstadt und Isar. Eine Lage, die viele Münchner gerne hätten. Und die ihnen auch zustünde. Schließlich ist es der Zweck der Münchner Wohnen, günstigen Wohnraum zu bauen.

Vor den Apartments waren hier drei Büros und eine Ladenfläche. Die standen zwei Jahre leer, so Anwohner. 2024 beantragte die Münchner Wohnen eine Nutzungsänderung – nicht für Wohnungen, sondern für die „Serviced Apartments“. Über den Apartments sind 20 Wohnungen für Stadtmitarbeiter. Einer von ihnen ist Andreas Marklstorfer (37). Der Ingenieur beim Baureferat setzte sich früh bei der Münchner Wohnen, beim Bezirksausschuss und bei Münchens Dritter Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) dafür ein, dass unten neue Wohnungen gebaut werden – scheiterte aber. Er ist fassunglos: „Wenn ich Apartments hier reinbauen kann, kann ich auch Wohnungen bauen. Für mich ist das moralische Zweckentfremdung.“

Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD), die auch Aufsichtsratschefin der Münchner Wohnen ist, schrieb Marklstorfer Ende Januar: „Im Falle der Beendigung der Beherbungsvermietung lassen sich die Apartments schnell und kostengünstig in Wohnungen rückbauen.“ Außerdem sei „diese Abwägung im operativen Geschäft“ laut Dietl „alleinige Zuständigkeit der Geschäftsführung.“ Auf Anfrage sagt eine Sprecherin der Münchner Wohnen: „Da der Bedarf an Wohnen auf Zeit in möblierten Apartments derzeit hoch ist, entschied sich die Münchner Wohnen hierfür als gewerbliche Nutzung.“

Die Linke im Stadtrat fordert Aufklärung: Fraktionschef Stefan Jagel: „Das ist wirklich kaum zu glauben. München braucht sowohl bezahlbaren Wohnraum als auch bezahlbare Gewerbeflächen. Ausgerechnet die städtische Wohnungsbaugesellschaft schafft weder das eine noch das andere, sondern wandelt potenziell bezahlbare Gewerbeflächen in Luxuswohnungen um.“
THOMAS GAUTIER

Artikel 11 von 11