Sam ist seit zehn Stunden auf den Beinen und – im Gegensatz zu seinen Kollegen – kein bisschen müde. Er macht Überstunden ohne zu murren und besteht auch nicht auf dem Mindestlohn. Kein Wunder, dass Service-Roboter in der Gastronomie auf dem Vormarsch sind. Bei den Gästen kommt er angeblich gut an. Vor allem, wenn er mit unterschiedlichen Gesichtszügen für Lächeln sorgt: „Er ist freundlicher als so mancher Kellner.“ Mag sein, aber er bleibt eben eine Maschine. Ob mir das Essen geschmeckt hat, dürfte Sam ziemlich egal sein.
Künstliche Intelligenz, längst Teil unseres Lebens. Schon im 20. Jahrhundert haben Informatiker Computer so programmiert, dass eine Kommunikation zwischen Mensch und Maschine möglich war. Die Tatsache, dass heute manche Software-Plattformen in 1,3 Sekunden Milliarden Datensätze verarbeiten – da wird mir ganz schwindelig. Da bin ich offensichtlich aus der Zeit gefallen.
Viele Fragen sind noch offen, nicht nur für mich.
Zum Beispiel: Wer braucht noch einen Autor aus Fleisch und Blut? Die KI, gefüttert mit Texten aus Abermillionen Internet-Quellen, schreibt Romane und Gedichte in null Komma nix. Und nicht nur das, sie erfasst sogar den Stil des Schriftstellers und kopiert ihn. Müssen Komponisten nicht mehr nächtelang im Tonstudio sitzen und um eine Melodie ringen? Der nächste Wiesn-Hit eine KI-Komposition? Urheber-Rechte sind ein schwieriges Kapitel für Künstler!
Kreativität bekommt jedenfalls eine ganz neue Bedeutung. Interessant für mich: die Begegnung mit dem Schweizer Schriftsteller Charles Lewinsky im Münchner Buch-Café Lentner. „Täuschend echt“, sein neuer Roman mit von der KI geschriebenen Passagen. Ein Spiel zwischen Mensch und Maschine. Das Fazit: Künstliche Intelligenz muss nicht das Ende der Literatur bedeuten, man muss nur auf kreative Weise mit ihr umgehen.
„Schöne neue Welt?“, Titel eines Gesprächsforums auf der Leipziger Buchmesse. Fast 300 000 Besucher, auffallend junges Publikum. Teenager mit Rollkoffern, um die vielen gekauften Bücher leichter zu transportieren. Trotz sozialer Medien: Die Jugend liest in Büchern zum Anfassen …
Mir fallen gerade einige ein, die mich als junges Mädchen faszinierten. „Die gute Erde“ zum Beispiel von Nobelpreisträgerin Pearl S. Buck. Alle ihre Werke habe ich verschlungen und bin nicht nur in die Welt der Romanfiguren eingetaucht, sondern stellte mir auch Pearls Leben in China vor. Eines ihrer Zitate blieb mir bis heute in Erinnerung: „Die wahre Lebenskunst besteht darin, im Alltäglichen das Wunderbare zu sehen.“
„Eine Maschine ist intelligent, wenn ein Mensch in einer Unterhaltung nicht erkennen kann, ob er mit ihr oder einem anderen Menschen spricht.“ Eine Definition, die etwas sorgenvoll in die Zukunft blicken lässt. Wäre doch jammerschade, wenn ich mich irgendwann fragen müsste, ob ich meinen geschätzten Hausarzt Max am anderen Ende der Leitung habe oder eine KI mit seiner Stimme. Irgendwie kein guter Gedanke …
Auch wenn KI, laut Wissenschaftlern, bahnbrechender ist als die Erfindung des Feuers und der Elektrizität: Sie hat keine Seele, keine eigenen Gedanken. Niemals hat sie etwas gesehen, etwas berührt, alle Sinneserfahrungen sind ihr fremd. Vor allem aber hat sie keine Moral. Ich brauche sie jedenfalls nicht. Und auch keine Alexa, die virtuelle Sprachassistentin, die mich weckt und mir einen „Guten Morgen“ wünscht. Das rufen sich meine Nachbarn und ich lieber persönlich über den Zaun zu. Meine Lieblingsmusik muss sie mir auch nicht vorspielen. Ich mache mein gutes altes Radio an, natürlich nicht digital, und höre den Bayerischen Rundfunk. Übrigens, um Spekulationen gleich im Vorfeld auszuräumen: Diese Kolumne hat nicht die KI geschrieben! Hätte sie es besser gemacht als ich? Durchaus möglich. Na ja, sollten Sie noch Fragen haben, kennt die KI alle Antworten.