MÜNCHNER FREIHEIT

So geht Fastenzeit

von Redaktion

Hut ab vor mir selbst! Ich habe jeder Versuchung widerstanden und meinen Fastenvorsatz knallhart durchgezogen. Jetzt überlege ich, ob ich mir einen zweiten Vornamen eintragen lassen soll, Begriffe wie „Selbstdisziplin“ oder „Willensstärke“ würden sich gut machen auf meinem Ausweis, meiner Steuererklärung oder meinen Flugtickets. Was mein Fastenvorsatz war? – Ich habe vierzig Tage lang aufs Nacktwandern verzichtet.

Natürlich mag es jetzt Einwände geben: Fasten bedeute, auf etwas Geliebtes zu verzichten. Und bisher sei ich ja auch nicht gerade aufgefallen mit oder im ersten Glied der Nacktwander-Gemeinde. Das stimmt schon. Aber wo gefastet wird, wird eben auch geschummelt. Man denke nur an die schwäbischen Maultaschen, früher ein traditionelles Fastenessen. Da man in der Fastenzeit kein Fleisch essen durfte, haben die findigen Schwaben das Fleisch einfach in einer Teigtasche versteckt. Bis heute hält sich für die Maultasche der Begriff „Herrgottsbscheißerle“, also zumindest in launigen Speisekarten für Touristen, die „Ebbes Guads aus dem Pfännle“ anbieten und nur mit einer Übersetzungs-App besiegt werden können.

Ähnlich ideenreich ging es in bayerischen Klöstern zu: In einer Zeit, in der zwischen Aschermittwoch und Ostern nur Flüssiges erlaubt war, experimentierten Mönche so lange, bis sie eine sättigende Flüssigkeit erhielten. Den Trinkjoghurt! Nein, Schmarrn! Das Starkbier natürlich! Wer heute ein Bier trinkt, das mit Nachnamen „Ator“ heißt, der verdankt seine Kopfschmerzen morgen ein paar Gottesmännern, die ihren Chef austricksen wollten. Ist der Kater womöglich die Rache Gottes?

In der Familie meines Freundes Michi wurde zuletzt diskutiert, wann genau die Fastenzeit endet. Michis Frau hat nämlich für den Samstagabend Gäste zum Essen eingeladen – und Michi verzichtet in der Fastenzeit auf Alkohol. Zentrale Frage des Wochenendes: Ab wann darf Michi wieder trinken? Im Internet gibt es dazu verschiedene Meinungen. Manche sagen, die Fastenzeit sei schon am Gründonnerstag vorbei, danach folgten lediglich Fastentage, und das sei ganz was anderes. Andere behaupten, die Fastenzeit ende im Morgenlicht des Ostersonntags. Michi hat lange überlegt und sich für folgende Interpretation entscheiden: Die Fastenzeit endet in der Nacht von Samstag auf Sonntag, und diese Nacht beginnt mit dem Sonnenuntergang am Samstagabend. Michi hat seinen Gästen jedenfalls gesagt, sie sollen ruhig noch die „Sportschau“ zu Ende schauen und dann um 20.15 Uhr kommen. Und so ein Zufall: Am Samstag ist der Sonnenuntergang um 20.10 Uhr. So geht Fastenzeit. Ich werde allerdings nicht zu diesem Abendessen erscheinen. Denn ich muss am Samstagabend dringend zum Nacktwandern.