MÜNCHNER FREIHEIT

Gefährliche Fernbeziehung

von Redaktion

Man stelle sich vor, ein Radler – oder noch schlimmer – ein Autofahrer zöge an einem 15 Meter langen Seil einen Karren hinter sich her, der wie ein fehlgezündeter Knallfrosch in unberechenbarem Zickzack-Kurs über Straße und Radweg karriolt und alles abräumt, was ihm in den Weg kommt. Wohl jeder wäre dafür, den Menschen an der Spitze dieser rollenden Abrissbirne schnellstmöglich aus dem Verkehr zu ziehen. Es sei denn, dieser Mensch ist zu Fuß unterwegs und sein Karren ein Selbstläufer auf vier Beinen. Richtig: Es geht um Hunde an langen Leinen.

Das Phänomen ist nicht ganz neu: War in der strengen Nachkriegsgesellschaft Disziplin das oberste Gebot und die Hundeleine so kurz wie die vorherrschende Männerfrisur, so ließ man in den folgenden Jahrzehnten zuerst den Kindern und dann den Hunden (oder sollte es andersherum gewesen sein?) allmählich die sprichwörtlich lange Leine. Vor gut 40 Jahren tauchten dann Automatik-Hundeleinen auf, die sich auf drei, vier Meter ausziehen ließen wie ein Staubsaugerkabel. Heute beherrschen bunte Leinen das Bild. Deren Länge hängt nur noch davon ab, welches Gewicht Herrchen oder Frauchen mit sich herumschleppen möchten. Das Seil lässig schräg über die Schulter geworfen, kommt so mancher Gassigeher daher wie Luis Trenker beim Sturm auf das Matterhorn.

Solange die lange Leine aufgewickelt bleibt, sieht das allenfalls komisch aus. Doch häufig lassen sich Herrchen oder Frauchen dazu verleiten, ihrem vermeintlich nach Freiheit drängenden Liebling schon dort freien Lauf zu gewähren, wo sie sich den Verkehrsraum mit anderen teilen. Eine gefährliche Fernbeziehung, denn ein Radler ist meist viel schneller da, als man eine quer über den Radweg gespannte 15-Meter-Leine mit widerspenstigem Hund am Ende einholen kann. Das Ergebnis sind immer wieder Unfälle wie am Ostersamstag auf der Maximilianstraße, wo ein 75-jähriger Radler stürzte und sich schwer verletzte.

Als hoffnungsloser Romantiker, der den Glauben an die Einsichtsfähigkeit des Menschen noch nicht verloren hat, will ich hier nicht einem neuen Gesetz zur Handhabung langer Hundeleinen in der Öffentlichkeit (Lange-Hundeleinen-Gesetz, Amtskürzel LaHuLG) das Wort reden. Wirkungsvoller wäre womöglich eine unbürokratische Lösung: Wenn Polizei oder Kommunaler Außendienst Langleinen-Gassigeher auf der Straße erwischen, bringen sie sie zur nächsten Hundewiese, wo sie ihren Vierbeiner dann zehn Minuten lang an einer 50-Meter-Leine mit einem Dutzend anderer Hunde toben lassen müssen. Es folgen drei bis fünf Stunden meditativer Arbeit: Knoten entwirren. Viel Zeit, um über Rücksicht nachzudenken.

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