Verheiratete Priester? Das kommt!

von Redaktion

Interview: Pfarrer Rainer Maria Schießler spricht über die Zukunft des Zölibats

Rainer Maria Schießler ist seit den 80er-Jahren katholischer Priester. Und seine Gottesdienste in St. Maximilian in der Isarvorstadt sind immer gut besucht. Der gebürtige Münchner – er geht unkonventionelle Wege, tritt nach außen modern wie meinungsstark auf und spricht immer wieder für die katholische Kirche unbequeme Themen an. Im Interview mit der tz spricht der 64-Jährige über den Zölibat, mit dem er sich aktuell auch in der BR-Serie „Dahoam is Dahoam“ beschäftigt. Ein brisantes Thema – besonders da sich die katholische Kirche nach dem Tod des Papstes neu ausrichten könnte. In seiner TV-Rolle als Generalvikar trifft er in den aktuellen Folgen auf einen Pfarrer, der es mit der priesterlichen Lebensweise nicht so genau nimmt. Darüber sprechen wir mit Schießler, der über sich selbst sagt, er habe eine Beziehung zu einer Frau.

Herr Schießler, als Generalvikar müssen Sie sich in der Serie „Dahoam is Dahoam“ aktuell mit Verfehlungen rund um den Zölibat herumschlagen. Ein leidiges Thema für Sie?

Nein, nein, das ist ja Alltag für uns.

In der Serie lässt sich ein Pfarrer auf ein Verhältnis mit einer Frau ein und verheimlicht es aus Angst, seinen Job zu verlieren. Solche Szenarien sind Realität in Deutschland?

Das ist uns nicht fremd. Wir haben viele Fälle, wo das passiert. Man muss da auch sagen: Wer gegen den Zölibat verstößt, ist kein Versager. Es gibt eben ein Risiko, auf das du dich mit der zölibatären Lebensweise einlässt. Es geht aber nicht darum, dass man keine Gelüste haben darf. Gelüste sind keine Sünde, für niemanden. Nur der richtige Umgang mit ihnen kann ein Fehltritt sein. Das gilt natürlich auch für einen Pfarrer.

Sie haben Ihre Beziehung zu einer Frau öffentlich gemacht. Wie muss man sich das vorstellen?

Ich habe zu vielen Frauen Beziehungen. Zu einer Frau habe ich ein besonderes Freundschaftsverhältnis aufgebaut, das sehr, sehr nahe ist. Wir haben uns vor 30 Jahren kennen und schätzen gelernt.

Und da kann man von einer Beziehung sprechen?

Ja, absolut. Wir sind füreinander da, werden immer füreinander sorgen und zusammen alt werden.

Und das widerspricht sich nicht mit dem Zölibat?

Nein. Das zölibatäre Leben bedeutet nicht Verurteilung zur Einsamkeit.

Aber eine Verurteilung von Sex, um es mal etwas plakativ zu formulieren.

Sexualität ist doch wohl hoffentlich mehr als Geschlechtsverkehr. Sexualität ist jede Begegnung mit einem anderen Geschlecht. Das fängt schon mit Mimik und Gestik an. Für mich war es immer besonders, jemandem nahezukommen, in den Arm zu nehmen. Ich konnte die zölibatäre Lebensweise nur deshalb sinnvoll leben, weil ich zu anderen in einer Beziehung stehe. Denn durch diese Nähe baut man Liebe auf.

Warum gibt‘s den Zölibat?

Es ist eine prophetische Lebensweise. Unser Leben ist etwas Wunderbares, aber wir müssen nicht alles in dieses Leben packen. Die Reise geht weiter, um die österliche Botschaft mit aufzugreifen. Mit dem Zölibat weist der Mensch im irdischen Leben über sich hinaus auf ein Leben mit Gott.

Ja, aber der Mensch kann ja trotz alledem eine Beziehung zu einem Partner eingehen. Das eine schließt ja das andere nicht aus.

Nein, tut es auch nicht. Und die katholische Kirche ist hier auch weiter. Wir bewegen uns gerade schnurstracks auf den verheirateten Priester hin. Den wird es geben, wenn die zölibatäre Lebensweise als eine echte, freie Möglichkeit angesehen wird – und nicht mehr als Pflicht. Das Ende des Pflichtzölibats wird es in der katholischen Kirche sicher geben.

Wirklich? Wann?

Keine Ahnung, ich bin kein Prophet. Aber wir merken ja so langsam, dass auch ein sexuell aktiver, in einer ehelichen Beziehung lebender Mann ein sehr guter Priester sein kann.

Der Vatikan agiert hier nicht reformfreudig …

Papst Franziskus hat vor seinem Tod einiges reformiert. Kein Papst hat mehr für die Stellung der Frau erreicht. Aber ein Papst ist nicht der Trump der katholischen Kirche, der einfach bestimmt. Er braucht auch Vorschläge, wie eine Reform des Zölibats aussehen könnte.

Ihr Vorschlag …

Wir könnten hier den Modus der ständigen Diakone übernehmen. Du kannst zum Diakon geweiht werden, wenn du verheiratet bist. Für den Priesterberuf könnte gelten: Verheiratete können Priester werden. Ebenso wie Unverheiratete, die es bleiben wollen. Das wird der erste Schritt Richtung Ende des Pflichtzölibats sein.

Noch scheint diese Idee weit weg. Im Landkreis Rosenheim hat sich ein Pfarrer in eine Frau aus der Gemeinde verliebt. Er lebt jetzt mit ihr zusammen, musste sein Priesteramt allerdings aufgeben.

Ja, das ist diese Hop- oder Top-Regelung. Die bricht uns das Genick, weil wir damit gute Seelsorger verlieren. Dabei ist doch alles klar. Es geht hier nicht um Tod und Auferstehung, nicht um eine Glaubenswahrheit. Es geht um die Strukturgesetze der Kirche – die sind immer veränderbar.


ANDREAS SCHMID

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