An der Floßlände in Thalkirchen wurde gestern schon wieder gesurft.
Die Polizei sperrte das Areal für die Aktion am Mittwoch weiträumig ab. © Kneffel/dpa
Der Gedenkort für die tote Surferin. Auf einem Brett haben Freunde unterschrieben, daneben ein Blumenmeer.
Um 80 Zentimeter wurde der Pegel des Eisbachs gesenkt, um der Tragödie auf den Grund zu gehen. Taucher durchsuchen das Bachbett akribisch. © Y. Thedens (3)
An was hat sich die Brett-Fangleine der tödlich verunglückten Surferin so verhakt, dass sie sich nicht aus der Strömung retten konnte? Genau dieser Frage versuchte am Mittwoch die Münchner Polizei – im Auftrag der Staatsanwaltschaft München – an der Eisbachwelle auf den Grund zu gehen. Mit einer noch nie da gewesenen Wasser-Ablass-Aktion. Gegen 9 Uhr drosselt die Stadt im Lehel den Wasserzulauf und leitet das Wasser um. Die Isarfischer begleiten das Absenken, um im Notfall Fische auf kleinen Vertiefungen retten zu können. Kurzfristig droht der Oberstjägermeisterbach im Englischen Garten sogar komplett auszutrocknen. Schnell wird dort eine Pumpe aufgestellt.
Gegen 13 Uhr ist der Pegel am Eisbach um gut 80 Zentimeter gesunken. Nun steigen Spezial-Taucher ins nur noch etwa 30 Zentimeter hohe Wasser. Auf Knien rutschen sie dort herum, wo vor zwei Wochen die 33 Jahre alte Surferin verunglückte. Vermutlich hat sich ihre Leine am Grund verhakt und die Frau unter Wasser gedrückt. Andere Surfer konnten nicht helfen, erst die Wasserrettung zog die Frau ans Ufer und reanimierte sie. Eine Woche später starb sie im Krankenhaus. Ihr Lebensgefährte stellte Strafanzeige. Nun wird wegen fahrlässiger Tötung ermittelt.
Akribisch wird am Mittwoch jeder Zentimeter der Eisbachwelle untersucht. Immer wieder stecken die Männer ihre Köpfe ins kalte Wasser. Zwei von ihnen sondieren per Schauglas, einer XXL-Unterwasserlupe, den Boden. Ein Taucher watet zum Uferrand und legt etwas auf die Mauer, das fotografiert und verpackt wird. Es sieht nach einer längeren Schraube aus. Polizeisprecherin Anna-Maria Sporer spricht später von „ein paar kleinen metallischen Gegenständen“, die gefunden wurden. „Ob sie im Zusammenhang mit dem Unfall stehen, muss nun untersucht werden.“
Die Taucher vermessen jeden einzelnen der sogenannten Störsteine, durch die bei entsprechender Wassermasse die weltberühmte Eisbachwelle entsteht. Ebenso die Abstände zur Uferbefestigung und den Einstiegsstellen. Alles wird aufgezeichnet – auch mit Videos. Um ungestört arbeiten zu können und Schaulustige fernzuhalten, wurde das Areal am Morgen weiträumig von der Polizei abgesperrt.
„Ich erhoffe mir aussagekräftige und schnelle Gewissheit für die Angehörigen, aber auch für uns wichtige Schlüsse für die Zukunft“, erklärt Franz Fasel, Vorstand der Surfer-Interessengemeinschaft München IGSM. Wie soll es weitergehen mit der Eisbachwelle? Diese Wasserwand ist mit nichts anderem vergleichbar. „Man surft hier immer mit einer gewissen Demut und auf eigene Gefahr.“ Denn bei 25000 Liter Wasser pro Sekunde komme man nicht mehr alleine raus, wenn sich was verhake. Fasel: „Da legt der Wasserdruck einen einfach flach.“ Die Tragödie der 33-Jährigen – sie war der erste Todesfall in 40 Jahren Eisbachwelle. Eine der Auflagen, die kommen könnten: Nur noch mit einer Leine zu surfen, die sich bei 30 Kilo Druck selbst öffnet. Noch hätten dies die wenigsten, so Fasel. Bauliche Veränderungen seien allerdings schwierig. Denn Tatsache ist: „Wer hier daran arbeitet, ist später auch verantwortlich.“
Fazit nach der Ablass-Aktion: Eine greifbare Antwort für das Drama gibt es noch immer nicht. Ein versenkter E-Scooter oder etwa ein schwerer Einkaufswagen werden nicht aus dem Wasser gezogen. Drei Stunden später rauscht wieder das komplette Wasser durch den Kanal. Nur die Gedenkstätte mit Blumen und einem alten Surfboard als Kondolenzbuch sowie die Absperrungen und Warnschilder erinnern an das Todesdrama. Bis zum Abschluss der Ermittlungen bleibt die Eisbachwelle weiterhin gesperrt. Und viele Fragen offen.
Carmen Ick-Dietl