Eine Sprachnachricht aus Schwaben verändert alles: Ein paar Freunde von der Schwäbischen Alb kommen am Wochenende nach München und fragen nach Tipps. Urplötzlich sehe ich meine Stadt wieder mit den Augen eines Touristen. Was ich in meinem Münchner Alltag ausblende, wird plötzlich Thema. Zum Beispiel: Eine Einzelfahrkarte für den MVV kostet mittlerweile 4,10 Euro. Als Radfahrer ist mir das egal. Als Tourist aber frage ich mich, was ich da wohl für mein Geld bekomme. Kostenlose Snacks und Massagen vielleicht? – Weit gefehlt! Die Antwort lautet an diesem Wochenende: Keine S-Bahnen auf der Stammstrecke! Da wird nämlich gebaut. Weniger Angebot für mehr Geld – das ist mal ein Business-Plan.
In der Gastronomie funktioniert es ähnlich: Das sagenumwobene Münchner Bier gibt es in XS-Gebinden zu XL-Preisen. Wenn man in der Innenstadt überhaupt noch irgendwo eine echte Halbe ergattert, dann kostet die gern mal 6,20 Euro. Wein wird mittlerweile nur noch in homöopathischen Dosen ausgeschenkt: Man zahlt 8 Euro und erhält 0,15 Liter – nein, das Komma ist nicht verrutscht. Warum wird da eigentlich noch ein Glas verwendet? Ein größerer Löffel täte es doch auch.
„Da bezahlst du halt auch für die Lage“, erklärt mir ein Freund aus der Gastronomie. Mit Verlaub: Wie sieht diese Lage denn aus in der Münchner Innenstadt? – Links eine Baustelle, rechts ein Leerstand, darunter eine S-Bahn, die nicht fährt, und außenherum die verschwitzten Jogger vom „Giro di Monaco“, die am Sonntagmittag den Altstadtring lahmlegen. Dafür zahlen meine Schwaben bestimmt gern ein bissl mehr. Und noch eine neue Mode: Nach zwei Stunden fliegen die Gäste aus der Wirtschaft, weil man heutzutage keinen Tisch mehr reserviert, sondern lediglich ein Zeitfenster. Klingt nach „Momo“, ist aber München.
Wundert sich eigentlich jemand darüber, dass überall in München Kioske mit riesigen Kühlschränken eröffnen?Und dass abends an der Isar jeder dritte Spaziergänger eine Bierflasche mit sich herumträgt? – Das ist der bezahlbare Rest der Münchner Gemütlichkeit. Und trotzdem kommen die Touristen nach München. Im Jahr 2024 verzeichnete die Stadt 19,7 Millionen Übernachtungen. München hat anscheinend was. Ich habe nur grad vergessen, was.