Neulich durfte ich wieder ein Wunder erleben – das Mirakel von Kochel am See. Nein, nicht wie Sie denken! Es geht nicht um traumhafte Lichtstimmungen über dem Wasserspiegel, nicht um atemberaubende Sonne-und-Wolken-Spiele um die Gipfel der Berge und auch nicht um besonders gute Kuchen. Es geht um Kunst oder genauer, wie sie ihren eben wunder- und überhaupt nicht erwartbaren Weg in Ausstellungsräume gefunden hat. Und zwar in die des Franz Marc Museums.
Irgendwann ging bei der Direktorin Jessica Keilholz-Busch ein Anruf aus den USA ein. Frage an die Verblüffte, ob sie an einem Gemälde von Marc interessiert sei. Der Mann erklärte, er habe ein Werk des Bayern ersteigert, wolle es der Öffentlichkeit nicht vorenthalten und sich erkundigen, wie es in Kochel so aussehe, ob man Interesse habe. Fest stand, dass das Bild „Das lange gelbe Pferd“ von 1913 im Winter 2024 bei Sotheby’s zum Aufruf gekommen war. Natürlich unerschwinglich für ein kleines Haus wie das im Oberland. Und natürlich war die Kunsthistorikerin sofort in Habachtstellung: Wer in den USA weiß von unserem Franz Marc Museum? Der Anrufer war ganz eindeutig kein Experte, der jede Galerie kennt, in der eine Marc’sche Arbeit hängt? Ist das Angebot ein fieser Trick? Und ist das Bild überhaupt echt?
Alle Vorbehalte konnten ausgeräumt werden, und, wie es sich für ein Wunder gehört, übernahm der Besitzer obendrein die Kosten für den Transfer von den USA nach Bayern. Zicken und Zögern, Umstandskramerei und Bedenken gab es nicht. Das Gemälde des gelben, ausgemergelten Tiers, dessen Rippen deutlich herausstehen, entstand im Kontext von berühmten Werken wie „Das arme Land Tirol“, „Tirol“ und „Die Weltenkuh“. Durch die Tirol-Reise war der Maler wohl angeregt worden, die realistische mit einer magischen Ebene zu verknüpfen. Der Klepper ist zwar von Arbeit und Alter gezeichnet, wird jedoch durch seine Monumentalität im Vergleich zu Landschaft und Haus zum beeindruckenden Symbol gesteigert.
Für Marc (1880–1916) war das Pferd das Lebewesen schlechthin. Deswegen hat das Museum um seinen geheimnisvollen Gast eine Schau aus eigenen Beständen gruppiert mit knapp 30 Arbeiten (Gemälde, Skulpturen, Skizzen, Drucke), die Pferdl und Gäule, Heiter (auf Bairisch despektierlich für Pferd) und Rösser aus allen Schaffensphasen versammeln: Zu sehen ist gewissermaßen Franz Marcs „Stall“ (bis 9. Juni). Schließlich müssen Wunder gut präsentiert werden.